Predigt über Mt 2,1-12: „Die Geschenke Jesu“ (25.12.2009)
Liebe Gemeinde,
Man kann es drehen wie man will: Geschenke spielen bei uns zu Weihnachten doch auch eine Rolle. Vor allem, wenn Kinder da sind, ist es so, aber es hängt nicht nur an ihnen. Woher kommt eigentlich der Brauch der Weihnachtsgeschenke? Viele sagen: Das hat mit den Sterndeutern angefangen. Darüber ist in der Bibel folgendes berichtet:
1 Als Jesus in Bethlehem in Judäa zur Welt gekommen war, zur Regierungszeit des Herodes, da kamen doch Astrologen aus dem Orient nach Jerusalem 2 und sagten: „Wo ist der neulich geborene König der Juden? Wir sahen nämlich seinen Stern, wie er aufging, und sind gekommen, um ihn zu verehren.“ 3 Als der König Herodes das hörte, wurde er aufgeregt, und ganz Jerusalem mit ihm. 4 So bestellte er alle Oberpriester und Schriftlehrer des Volks zusammen und erkundigte sich bei ihnen: „Wo kommt der Messias zur Welt?“ 5 Sie antworteten ihm: „In Bethlehem in Judäa. So nämlich ist es aufgezeichnet beim Propheten: 6 ‚Und du, Bethlehem – Land Juda –: durchaus nicht die Geringste bist du unter den Regenten Judas; denn aus dir wird ein Herrscher hervorgehen, der als Hirte für mein Volk, für Israel, sorgen wird.‘ “ 7 Darauf bestellte Herodes die Astrologen diskret her und ergründete von ihnen exakt den Zeitraum, in dem der Stern erschienen war. 8 Dann schickte er sie nach Bethlehem und sagte: „Geht und versucht, Genaues über das Kind herauszubekommen. Sobald ihr fündig geworden seid, benachrichtigt mich, damit auch ich komme und es verehre.“ 9 Da sie das Anliegen des Königs verstanden hatten, gingen sie los. Und da zog doch der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, vor ihnen her, bis er ankam und dort stehen blieb, wo das Kind war! 10 Beim Anblick des Sterns überkam sie große Freude und Hochstimmung. 11 Sie betraten das Haus und erblickten das Kind mit Maria, seiner Mutter. Da sanken sie nieder und verehrten es, öffneten ihre Kassetten und überreichten ihm Geschenke: Gold und Weihrauch und Myrrhe. 12 Und weil sie im Traum die Weisung bekamen, nicht zu Herodes zurückzukehren, reisten sie über einen anderen Weg zurück in ihre Heimat. (Mt 2)
Zum Schluss haben sie Jesus ihre Geschenke gegeben. Astrologen waren es. Sie lebten im Orient, vielleicht in Persien. Vor ihrer Reise haben sie einfach ihren Job getan: Sterne beobachten. Eines Tages fanden sie einen ganz besonderen Stern, besonders hell. Man hat herausgefunden: Wahrscheinlich waren das die Planeten Jupiter und Saturn. Sie standen zu dieser Zeit so eng beieinander, dass es wie ein einziger heller Stern aussah. Beide Planeten galten als Symbol: der eine als Königsgestirn und der andere als Stern Israels. Die Sterndeuter musste nur noch eins und eins zusammenzählen: Ein König kommt in Israel.
Schlussfolgerung: Man machte sich auf die Reise. Vielleicht wollten sie diplomatische Beziehungen zum neuen Regenten anknüpfen. Was aber bringt man einem Regenten mit? Nun, Gold ist immer willkommen. Regenten sind gern reich.
Was noch? Regenten haben heute einen Leibarzt wie auch andere Prominente. Ihre Gesundheit gilt als besonders schützenswert. Die Astrologen konnten nun keinen Arzt mitnehmen und dem Prinzen da lassen. Damals war aber auch Medizin sehr wertvoll.
Daher die Geschenke Weihrauch und Myrrhe: sie waren nicht nur kostbar als Geldanlage, nicht nur begehrt als Parfüm, sondern auch Medikamente. Weihrauch hilft z. B. gegen Rheuma , Myrrhe gegen Entzündungen. Den Grundstock für die königliche Leib-Apotheke brachten also die Sterndeuter mit. „Dein Leben bleibe bewahrt“ – dieser Wunsch drückte sich in dem Geschenk aus.
Das waren die Geschenke für Jesus. Waren es passende Geschenke für diesen speziellen „König“, für den Retter, den Messias Jesus?
Gegenfrage: Hat Jesus jemals Gold gebraucht? Reichtum? Jesus hat in voller Hingabe für Gottes Königtum gelebt, aber nie für sich selbst daraus Kapital geschlagen. Er hat sich nie bezahlen lassen für seine Heilungen, er war umgekehrt derjenige, der Menschen beschenkt hat. Und zwar mit Wertvollerem als Gold und Geld.
Was ist wertvoller als Geld? Wir heute sagen: Geld macht nicht glücklich, aber auf einen Versuch kann man es ja mal ankommen lassen... Aber offenkundig: Reiche sind nicht zufriedener, nicht glücklicher. Der Grad der Zufriedenheit steigt nicht gleichmäßig mit dem Wohlstand an.
Wirklich wertvoll ist Anerkennung. Wertschätzung. „Du darfst ... nein: du sollst gelten, weil du bist, wie du bist!“ Solche Worte der Anerkennung sind „Gold wert“ und mehr als das – manchmal unbezahlbar.
Das hat der erwachsene Jesus ganz vielen Menschen um sich herum gegeben: Wertschätzung. „Du bist eine Tochter Abrahams!“ – „Heute ist das Heil in dieses Haus eingezogen!“ – „Hindert die Kinder nicht und macht ihnen keinen Ärger!“ „Was willst du, das ich für dich tun soll?“ – „Der Vater heißt dich willkommen und kleidet dich mit dem besten Anzug!“ – „Der Vater sagt dir: Mein Kind, du bist immer bei mir, und alles, was mein ist, ist auch dein!“ Das wird der kürzlich geborene König der Juden einmal sagen, wenn er erwachsen ist. Er ist es, der Wertschätzung verschenkt. Kostbarer als Gold. Er gibt den Menschen eine königliche Würde: Sie sind durch Jesus Kinder des Vaters im Himmel und haben ihren Platz in Gottes Königreich!
Zurück zum kleinen Kind Jesus: War also das Goldgeschenk für Jesus passend oder unpassend? Unpassend, weil Jesus ganz andere Werte hatte als Reichtum. Aber passend, weil es wie ein Hinweis, eine Voraussage war: Dieser König der Juden wird Worte sprechen und Taten tun, die mehr als Gold wert sind.
Die Astrologen: Fast waren es unbewusste Propheten: sie taten etwas, das ein Zeichen enthielt und über das hinausragte, was ihnen selber bewusst war. Ihr Geschenk war „falsch“ – aber sie wussten nicht, wie richtig es tatsächlich doch war: als Zeichen.
Dieses Zeichen zeigt bis heute etwas an. Der König der Juden spricht dir zu, wie wertvoll du bist: „Du bist eine Tochter Abrahams!“ – „Heute will das Heil in dein Haus einziehen!“ – Auch wenn du dich klein fühlst wie ein Kind: niemand darf dich hindern und dir Ärger machen. „Was willst du, das ich für dich tun soll?“ – „Der Vater heißt dich willkommen und kleidet dich mit dem besten Anzug!“ – „Der Vater sagt dir: Mein Kind, du bist immer bei mir, und alles, was mein ist, ist auch dein!“ Das sind Worte und mehr als das: Tatsachen, besser als Gold.
Und nun die anderen Geschenke: Weihrauch und Myrrhe. Ich sehe sie gemeinsam als ein Geschenk, denn beides sind kostbare Balsamharze. Medizin. Passt dieses Geschenk zu Jesus?
Nur ein bisschen. Sicher war Jesus voll und ganz Mensch. Also wird er auch krank geworden sein, hat die Kinderkrankheiten nicht übersprungen (warum sollte er nicht auch Fieber gehabt haben?), er hat sich sicher auch mal in der Werkstatt in den Finger gesägt.
Aber vor allem war er ja der, der den Menschen Gesundheit gegeben hat. Viele hat er geheilt. Jesus ist nicht wie ein hochempfindlicher Regent oder Promi, der beim geringsten Unwohlsein den gesamten medizinischen Apparat anlaufen lässt. Dafür braucht er keine kostbaren Medizin-Geschenke. Jesus ist der Heil-Bringer, der Messias, der das Herz heilt, aber immer wieder auch den Körper.
Also waren die Astrologen auch mit diesen Medizin-Geschenken unbewusste Propheten, die gezeigt haben, wie der König der Juden als Erwachsener leben wird.
Aber die Hinweise reichen noch tiefer. Beide Balsam-Harze, Weihrauch und Myrrhe, werden im Nahen Osten auf eine ganz spezielle Weise gewonnen und geerntet: Die Rinde des Balsambaums wird an vielen Stellen eingeritzt. Aus diesen Schnitten sondert sich das Harz ab. Es ist, als ob der Baum aus vielen Wunden „blutet“. Aber nur indem der Baum so verwundet wird, kann die heilende Substanz, das Harz, zutage kommen. Unverletzte Balsambäume können kein Heilmittel abgeben. Nur verwundete.
Die heidnischen Astrologen konnten keine Ahnung davon haben, dass Israels Gott seinen Sohn sendet, der gerade so die Rettung für die Menschen bringen würde: durch seine Verletzungen und Wunden. Selbst die Juden damals hatten ja nur eine ferne Ahnung davon, dass der Retter etwa auch durchs Leiden gehen könnte. Die Astrologen wollten von sich aus diese Wahrheit bestimmt nicht ausdrücken. Und doch enthält ihr Geschenk, Weihrauch und Myrrhe, gerade dieses Zeichen: Heilung kommt aus der blutenden Wunde des Baums.
Auch dieses Zeichen spricht bis heute. Jesus, der gerade geborene König der Juden, ist dein Retter, er hat Medizin für deine Lebenswunden. Sie kommt aus seinen Wunden. Er hat sich nicht unversehrt aufbewahrt. Er hat sich tief verletzen lassen. Gerade so hat er das hervorgebracht, was mein und was dein Leben heil macht. Schon wenige Zeit nach seiner Geburt stand dieses Zeichen bei ihm: Medizin, die aus der Wunde fließt. Weihrauch und Myrrhe. In dem, was die Astrologen brachten, ist das Zeichen des Kreuzes verborgen. Der Auftrag des Messias, des Königs der Juden, war auf geheimnisvolle Weise von Anfang an als Zeichen gesetzt.
Jochen Klepper hat ein Weihnachtslied gedichtet, das ganz entsprechend das Zeichen des Kreuzes schon im Blick hat: „Du Kind, zu dieser heiligen Zeit gedenken wir auch an dein Leid. [...] Dein Urteilsspruch ist längst gefällt, das Kreuz ist dir schon aufgestellt. [...] Dein Elend wendet keiner ab. Vor deiner Krippe gähnt das Grab.“ – Dieses Lied ist wahr und die Geschenke der Heiden deuten das an.
Als Jesus aufgewachsen war und erwachsen war, hat er vielleicht diese Geschenke der Astrologen gar nicht gebraucht, gar nicht benutzt. Auch das Gold taucht ja nie mehr auf in seinem Leben oder bei seinen Eltern. Josef, Maria, Jesus und seine Geschwister, waren eine einfache und anfangs arme Handwerkerfamilie. Das Gold hat sie da nicht rausgeholt. Also haben sie vielleicht auch das andere Geschenk, die Medizin, gar nicht richtig benutzt. Man weiß es nicht.
Aber ganz am Ende von Jesu Leben spielte das Balsamharz Myrrhe doch wieder eine Rolle. Er bekam es wiederum von Heiden und danach auch von einem Juden. Als er am Kreuz hing und die elendesten Schmerzen litt, da brachten ihm römische Soldaten ein betäubendes Getränk: Wein mit Myrrhe. Da ist diese geheimnisvolle Medizin wieder. Aber Jesus hatte sie auch jetzt nicht angenommen. (Mk 15,23) Er hat sich seinem rasenden Schmerz, seinen Wunden ganz ausliefern lassen. Und als er tot war, hatten ihn zwei Männer begraben Josef von Arimathäa und Nikodemus. Und der brachte u.a. als Balsamierung eine Riesenmenge Myrrhe mit (Joh 19,39). So wurde der tote Jesus gesalbt mit dem Balsam, der aus einem verwundeten Baum gewonnen war.
Salbung – das war in Israel schon seit Jahrhunderten ein ganz bestimmter Brauch. Immer schon wurden Propheten und Könige gesalbt mit Salböl, in dem auch Myrrhe enthalten war. Und jetzt Jesus, der Messias, der Gesalbte: Als Gestorbener noch auf geheimnisvolle Weise gesalbt wie zum Messias, auch mit dem Balsam, der aus dem verletzten blutenden Baum geflossen ist. So ein Messias also ist Jesus: Der Verwundete, der heil macht. Das geheimnisvolle Zeichen dafür hat er schon ganz zu Beginn seines Lebens bekommen: von den heidnischen Astrologen, die Weihrauch und Myrrhe schenkten.
Als Jesus geboren war, als die Astrologen kamen, hat das noch niemand ahnen können. Alle haben sicher nur den blendenden Reichtum von Gold, Weihrauch und Myrrhe gesehen. Aber wir, wenn wir am Christfest Christus feiern, wir können Weihnachten gerade so feiern, dass wir Jesus ehren, der uns durch seine Wunden heil macht.
Wieder war es ein Liederdichter, der diesen Zusammenhang mit Weihnachten gesehen hat: Paul Gerhardt. „Die ihr schwebt in großen Leiden, sehet, hier ist die Tür zu den wahren Freuden!“ – „Wer sich fühlt beschwert im Herzen, wer empfind’t seine Sünd’ und Gewissensschmerzen, sei getrost: hier wird gefunden, der in Eil machet heil die vergift’ten Wunden.“ – „Die ihr arm seid und elende, kommt herbei, füllet frei eures Glaubens Hände! Hier sind alle guten Gaben, und das Gold, da ihr sollt euer Herz mit laben.“
So können wir Weihnachten als Christfest (Christ-Fest!) feiern: Indem wir zu Jesus gehen und ihm danken. Er ist wie der Balsambaum, aus dessen Schnitten das Heilmittel fließt. Er ist der verwundete Heiler. Durch seine Wunden werden wir heil. Dafür können wir ihm tief danken.
Und wir können noch weiter gehen. Nicht nur danken. Wie widersinnig wäre es, wenn wir ihm danken, aber unsere eigenen Wunden von ihm weghalten. Es ist ja nicht sentimental oder wehleidig, wenn wir davon sprechen, dass jeder Mensch Lebenswunden hat. Sondern das ist zutiefst realistisch. Lasst uns gerade als verletzte Menschen zu Jesus gehen, dem König der Juden, dem König unseres Lebens. Für unsere Wunden ist er gekommen.
Lasst uns schließlich noch einen weiteren Schritt gehen. Wenn wir Gutes von Jesus bekommen haben: Wertschätzung, unbezahlbar, mehr als Gold wert – und Genesung, Heilungsprozesse für unsere Lebenswunden – dann können wir selber Menschen werden, die wie „verwundete Heiler“ sind: Wir können Balsam sein für andere. Gerade weil wir nicht makellos und strotzend gesund sind, sondern weil auch wir verwundet wurden, aber Heilung von Jesus bekommen haben. Gerade so können wir Segen für andere sein. Jesus erlöst uns aus dem Zwang, aus dem Kreislauf, dass wir das, was wir einstecken mussten, später an andere austeilen. Dieser Kreislauf ist ja fast ein erschütterndes Naturgesetz und Richter, die Recht zu sprechen haben, können ein trauriges Lied davon singen: Verletze verletzen. Wer anderen etwas zugefügt hat, wurde zumeist selbst früher verletzt. Auch Therapeuten könnten aus ihren Praxen davon berichten. Jesus nun erlöst uns aus dem bitteren Mechanismus, dass Verletzte später andere verletzen. Unsere heilenden Verletzungen befähigen uns dann geradezu, heilsam für andere zu sein.
Der Balsambaum, Symbol für Jesus, kann auch eine Bestimmung für uns werden: Gerade aus den Wunden fließt Heilmittel. Wir können anderen Wertschätzung geben, Anerkennung, wertvoller als Gold.
Wir haben heute gehört, wie die heidnischen Astrologen Geschenke für Jesus brachten. Es waren für diesen König eigentlich unpassende Geschenke. Aber auf geheimnisvolle Weise dann doch passend. Die Geschenke Jesu – Gold, Weihrauch und Myrrhe – es sind im Tiefsten wirklich Geschenke Jesu: Dinge, die er uns schenkt. Wert. Heilung. Und einen neuen Auftrag: verwundete Heiler zu werden.
Wie hat Paul Gerhardt es gesagt? „Die ihr arm seid und elende, kommt herbei, füllet frei eures Glaubens Hände! Hier sind alle guten Gaben, und das Gold, da ihr sollt euer Herz mit laben.“ Amen.
(Ich verdanke einer Andacht von Pfr. Hans-Jürgen Peters, Marburg, die Anregung zu dieser Predigt.)
Montag, 28. Dezember 2009
„Josef nimmt Jesus an“
Predigt über Mt 1 und Lk 2: „Josef nimmt Jesus an“ (24.12.2009)
Liebe Gemeinde,
wer von uns es gewohnt ist, Jahr für Jahr die biblische Weihnachtsgeschichte zu hören und die alten Weihnachtslieder zu singen, der hat solche Sätze im Ohr: „Euch ist heute der Retter geboren!“ Oder: „Welt ging verloren, Christ ist geboren: Freue dich, du Christenheit!“ Für viele Menschen, auch schon damals, war es eine glückliche Überraschung, dass endlich ein Retter von Gott gekommen ist.
Aber bevor Jesus geboren wurde, haben sich seine Eltern zuerst gar nicht gefreut. Sie hatten ja mit keinem Kind gerechnet. Wir haben (im Kinderbeitrag zuvor) gehört und gesehen, wie schwer es für Josef anfangs war zu glauben, dass Marias Kind von Gott kam und nicht von irgend einem anderem Mann. Weihnachtsfreude gab es ganz am Anfang erst einmal nicht. Aber Josef hat sich dann überzeugen lassen. Er hatte die Ohren offen für Gott und hatte den Mut dazu, nicht nur auf seine eigenen Gedanken zu hören, sondern auf Gott. Ja, das kostete einen Mann damals wirklich Mut. Josef war so mutig.
Aber nachdem er sich erst einmal darauf eingelassen hatte: Gott der Schöpfer schafft in meiner Verlobten ein Kind und durch dieses Kind will Gott die Welt zu retten beginnen – als er sich erst einmal darauf eingelassen hatte, da war Josef ganz entschlossen. Und sehr praktisch, durch eine Tat nach der anderen, nahm er diesen Sohn als seinen eigenen an. Erst so konnte Jesus ja wirklich ins Leben kommen: unter dem Schutz auch eines irdischen Vaters. Josef hat das angenommen, der irdische Vater von Jesus zu sein, und zwar durch eine Tat nach der anderen.
Das erste: Josef hat seine schwangere Braut nicht heimlich weggeschickt. Das wäre schon der noble Weg gewesen. Er hätte gedacht, er wäre der Betrogene, aber hätte seine untreue Braut nicht öffentlich angeprangert, sondern eben heimlich weggeschickt. Der noble Weg. Doch auch den ging Josef nicht, sondern heiratete Maria bald. Das war ein Bekenntnis zu ihrem schwangeren Bauch. Josef zeigte damit: das ist meins.
Danach, das ist das zweite, nahm Josef seine Braut mit auf die Reise. Er musste ja nach Bethlehem zur Steuerbehörde. Bethlehem war seine, Josefs, Heimatstadt. Nicht die von Maria. Maria hätte nicht mit gemusst. Damals war man nicht so leichtsinnig, schwangere Frauen unnötigerweise auf anstrengende Reisen zu schicken. Warum hat Josef sie trotzdem mitgenommen, anstatt die Schwangere zu schonen? Nun, wenn er sie in Nazareth zurückgelassen hätte, dann hätten alle gesagt: „Er hat es sich doch anders überlegt. Er hat sie sitzen lassen. Es war wohl doch nicht sein Kind. Maria hatte es wohl doch von einem anderen Mann. Josef will sie nicht mehr.“ – Also das war der Grund, weshalb er Maria mitnahm: Er hat sich dadurch zu ihr bekannt und zu „seinem“ Kind – sein Kind, das nicht von ihm war und dem er doch irdischer Vater sein wollte. Josef hat Maria vor Gerede geschützt und sich zum Kind bekannt, deshalb die gemeinsame Reise.
Als Jesus dann geboren war, passierte (drittens) etwas ganz Normales und doch etwas total Wichtiges: Maria wickelte ihren Sohn in Windeln. Wieso, fragt man sich, steht das extra in der Bibel? Das passierte doch mit allen Babys. Natürlich wurden die damals gewindelt, wie auch heute noch. Warum musste das ausdrücklich aufgeschrieben werden? Es wurde aufgeschrieben, um zu zeigen, dass mit Jesus eben das Normale passierte, was leibliche Eltern mit jedem ihrer Kinder machten. Leibliche Eltern eben, das ist der springende Punkt. Sie badeten ihre Neugeborenen, rieben sie mit Salz ab und windelten sie. Nun gibt es in der Bibel auch die Geschichte von einem verstoßenen Baby. Ein ungewolltes Kind, von den Eltern verleugnet. Das wurde nackt aufs Feld geworfen, so beschreibt die Bibel es, und eben nicht gebadet und nicht gewindelt. (Ezechiël 16,3-5) Nackte Babys waren verstoßene Babys. Deshalb gehört die Notiz von den Windeln in die Weihnachtsgeschichte: Josef hat Jesus eben nicht verstoßen. Er ließ es zu, dass Maria ihren Sohn in Windeln wickelte, er hieß das gut. Er bekannte sich als irdischer Vater zu diesem Kind. Josef hat Jesus angenommen. Auch die Windeln sind dafür ein Zeichen.
Und schließlich brachte Josef zusammen mit Maria den Sohn nach acht Tagen zur Beschneidung. Der Glaubensbrauch der Juden, mit dem ein Junge sichtbar ins Volk Gottes aufgenommen wird. Dabei wird auch der Name gegeben. Beide Eltern, Maria wie auch Josef, hatten bestimmt: Er soll Jesus heißen. Spätestens damit hat Josef aller Welt auch vor dem Gesetz gezeigt: Der gilt als mein Sohn. Das ist meiner. Ich habe ihm einen Namen gegeben – das war eben auch ein juristischer Vorgang. Wer auch immer noch schlecht reden würde über Maria und dass es mit ihrem Erstgeborenen wohl doch nicht mit rechten Dingen zugegangen sei – und solches schlechtes Gerede gab es ja später, als Jesus erwachsen war – wer auch immer solches Gerede verbreiten würde: Josef hatte dieses Kind adoptiert. Beweis: die Beschneidung und die Namensgebung.
Josef hat Jesus angenommen. Er hat die volle irdische Vaterschaft anerkannt. Er hat das erstens getan, als er Maria nicht fortjagte, zweitens, als er sie mit auf die Reise nahm, drittens, indem er es gut hieß, wie das Kind in Windeln gewickelt wurde und viertens, indem er es beschneiden ließ und ihm selbst einen Namen gab. Josef hat Jesus angenommen und sich zu diesem Kind bekannt. Und das, obwohl es ihm zu Anfang nur Schwierigkeiten, Zweifel und Kopfzerbrechen bereitet hat. Warum hat Josef das alles gemacht? Weil er geglaubt hat, dass Gott mit diesem Kind anfängt, die Welt zu retten. Das hat Josef auch für sich selber geglaubt. Er war ja Teil eines Landes, das seufzend auf Erlösung wartete. Josef hat geglaubt: „Für meine Lebensfragen wird jetzt gesorgt. Jetzt geht es los, Gott hat es anlaufen lassen. Das glaube ich ihm. Deshalb nehme ich das Kind Jesus an und bekenne mich zu ihm.“
Josefs Antwort auf die Geburt Jesu. Eine mutige Antwort.
Es ist zugleich die Antwort, die jeder von uns heute geben kann auf die Geburt Jesu. „Jesus ist geboren“ – „Gott hat angefangen, Rettung in die Welt hineinzubringen“ – das ist ja keine Information, die man zur Kenntnis nehmen kann und gut. Sondern diese Nachricht fordert eine Antwort.
Josef nahm Jesus an. So kann es jeder von uns tun. Gott brachte die Rettung auf eine Weise in die Welt, die Josef sich selbst nie ausgesucht hätte. Es war ungewöhnlich und anfangs auch sehr ungemütlich für ihn. Aber Josef nahm Jesus an. Das kann jeder von uns auch tun. Wir würden die Antwort auf unsere Lebensfragen von uns aus vielleicht woanders suchen. Wir hätten schon ein paar Ideen. Aber nun hat Gott die Rettung so eingefädelt, dass sie durch Jesus kommt. Ungewöhnlich. Aber wir nehmen Jesus an – das wäre eine wunderbare Antwort auf Weihnachten: Wir nehmen Jesus an. Wie tut man das, Jesus annehmen? Vielleicht durch einen Satz, durch ein Gebet wie dieses:
„Ich möchte keine meiner Lebensfragen lösen an Jesus vorbei.“
Wer so denkt, wer so betet, hat den Retter Jesus angenommen.
Und dann kommt Rettung in die Welt? Dann rettet Gott die Welt durch Jesus? Ja wovon muss die Welt denn gerettet werden? Rettet Jesus die Welt vor der Klimakatastrophe? Da haben wir ja gesehen, wie unfähig die Politiker scheinen, die notwendigen rettenden Beschlüsse zu fassen. Diese Menschen waren in Summe offenbar nicht mutig genug dazu. Sie haben nicht die Kraft gefunden, die Welt zu retten. Rettet Jesus nun die Welt?
Gehen wir einen Schritt zurück. Es gibt ja nicht nur die globale Klimakatastrophe. Sondern auch die vielen kleinen Klimakatastrophen in unseren Familien und Beziehungen. Manchmal ist es zu hitzig, manchmal zu frostig. Da kippt ebenfalls etwas um. Da vergiftet sich ebenfalls manchmal die Atmosphäre. Wenn mitten in diesen Klimabedingungen aber Menschen leben, die sich sagen und die beten: „Ich möchte keine meiner Lebensfragen lösen an Jesus vorbei“ – wenn solche Menschen da sind: dann wird der Giftausstoß reduziert. Dann kommt etwas Heilsames hinzu. Ob es ausreichen wird? Man wird sehen. Wir müssen es versuchen.
Menschen, die so leben: „Ich möchte keine meiner Lebensfragen lösen an Jesus vorbei“ – das sind mutige Menschen. Mutig, wie Josef mutig war. Er hat ja wirklich mutige Entschlüsse getroffen. Und wenn Menschen wie Josef, die Jesus angenommen haben und mutig wurden, auch unter den Politikern wären: dann ist auch noch Hoffnung fürs Weltklima. Jeder von uns kann entscheiden für sein eigenes Leben und für den Einfluss, den jeder einzelne hat. Wenn viele Menschen mutig werden, kann die Bewegung groß werden. Aber es fängt bei jedem einzelnen an.
Josef war mutig und hat Jesus angenommen, hat sich zu ihm bekannt. Ich wünsche uns, jedem einzelnen, dass wir dieselbe Antwort geben auf Weihnachten: „Jesus – der ist meiner. Der gehört zu mir. Für den stehe ich. Denn er trägt mich. Und ich löse keine meiner Lebensfragen an ihm vorbei.“ Gott gebe uns solchen Josefs-Mut, solchen Jesus-Mut.
Amen.
Liebe Gemeinde,
wer von uns es gewohnt ist, Jahr für Jahr die biblische Weihnachtsgeschichte zu hören und die alten Weihnachtslieder zu singen, der hat solche Sätze im Ohr: „Euch ist heute der Retter geboren!“ Oder: „Welt ging verloren, Christ ist geboren: Freue dich, du Christenheit!“ Für viele Menschen, auch schon damals, war es eine glückliche Überraschung, dass endlich ein Retter von Gott gekommen ist.
Aber bevor Jesus geboren wurde, haben sich seine Eltern zuerst gar nicht gefreut. Sie hatten ja mit keinem Kind gerechnet. Wir haben (im Kinderbeitrag zuvor) gehört und gesehen, wie schwer es für Josef anfangs war zu glauben, dass Marias Kind von Gott kam und nicht von irgend einem anderem Mann. Weihnachtsfreude gab es ganz am Anfang erst einmal nicht. Aber Josef hat sich dann überzeugen lassen. Er hatte die Ohren offen für Gott und hatte den Mut dazu, nicht nur auf seine eigenen Gedanken zu hören, sondern auf Gott. Ja, das kostete einen Mann damals wirklich Mut. Josef war so mutig.
Aber nachdem er sich erst einmal darauf eingelassen hatte: Gott der Schöpfer schafft in meiner Verlobten ein Kind und durch dieses Kind will Gott die Welt zu retten beginnen – als er sich erst einmal darauf eingelassen hatte, da war Josef ganz entschlossen. Und sehr praktisch, durch eine Tat nach der anderen, nahm er diesen Sohn als seinen eigenen an. Erst so konnte Jesus ja wirklich ins Leben kommen: unter dem Schutz auch eines irdischen Vaters. Josef hat das angenommen, der irdische Vater von Jesus zu sein, und zwar durch eine Tat nach der anderen.
Das erste: Josef hat seine schwangere Braut nicht heimlich weggeschickt. Das wäre schon der noble Weg gewesen. Er hätte gedacht, er wäre der Betrogene, aber hätte seine untreue Braut nicht öffentlich angeprangert, sondern eben heimlich weggeschickt. Der noble Weg. Doch auch den ging Josef nicht, sondern heiratete Maria bald. Das war ein Bekenntnis zu ihrem schwangeren Bauch. Josef zeigte damit: das ist meins.
Danach, das ist das zweite, nahm Josef seine Braut mit auf die Reise. Er musste ja nach Bethlehem zur Steuerbehörde. Bethlehem war seine, Josefs, Heimatstadt. Nicht die von Maria. Maria hätte nicht mit gemusst. Damals war man nicht so leichtsinnig, schwangere Frauen unnötigerweise auf anstrengende Reisen zu schicken. Warum hat Josef sie trotzdem mitgenommen, anstatt die Schwangere zu schonen? Nun, wenn er sie in Nazareth zurückgelassen hätte, dann hätten alle gesagt: „Er hat es sich doch anders überlegt. Er hat sie sitzen lassen. Es war wohl doch nicht sein Kind. Maria hatte es wohl doch von einem anderen Mann. Josef will sie nicht mehr.“ – Also das war der Grund, weshalb er Maria mitnahm: Er hat sich dadurch zu ihr bekannt und zu „seinem“ Kind – sein Kind, das nicht von ihm war und dem er doch irdischer Vater sein wollte. Josef hat Maria vor Gerede geschützt und sich zum Kind bekannt, deshalb die gemeinsame Reise.
Als Jesus dann geboren war, passierte (drittens) etwas ganz Normales und doch etwas total Wichtiges: Maria wickelte ihren Sohn in Windeln. Wieso, fragt man sich, steht das extra in der Bibel? Das passierte doch mit allen Babys. Natürlich wurden die damals gewindelt, wie auch heute noch. Warum musste das ausdrücklich aufgeschrieben werden? Es wurde aufgeschrieben, um zu zeigen, dass mit Jesus eben das Normale passierte, was leibliche Eltern mit jedem ihrer Kinder machten. Leibliche Eltern eben, das ist der springende Punkt. Sie badeten ihre Neugeborenen, rieben sie mit Salz ab und windelten sie. Nun gibt es in der Bibel auch die Geschichte von einem verstoßenen Baby. Ein ungewolltes Kind, von den Eltern verleugnet. Das wurde nackt aufs Feld geworfen, so beschreibt die Bibel es, und eben nicht gebadet und nicht gewindelt. (Ezechiël 16,3-5) Nackte Babys waren verstoßene Babys. Deshalb gehört die Notiz von den Windeln in die Weihnachtsgeschichte: Josef hat Jesus eben nicht verstoßen. Er ließ es zu, dass Maria ihren Sohn in Windeln wickelte, er hieß das gut. Er bekannte sich als irdischer Vater zu diesem Kind. Josef hat Jesus angenommen. Auch die Windeln sind dafür ein Zeichen.
Und schließlich brachte Josef zusammen mit Maria den Sohn nach acht Tagen zur Beschneidung. Der Glaubensbrauch der Juden, mit dem ein Junge sichtbar ins Volk Gottes aufgenommen wird. Dabei wird auch der Name gegeben. Beide Eltern, Maria wie auch Josef, hatten bestimmt: Er soll Jesus heißen. Spätestens damit hat Josef aller Welt auch vor dem Gesetz gezeigt: Der gilt als mein Sohn. Das ist meiner. Ich habe ihm einen Namen gegeben – das war eben auch ein juristischer Vorgang. Wer auch immer noch schlecht reden würde über Maria und dass es mit ihrem Erstgeborenen wohl doch nicht mit rechten Dingen zugegangen sei – und solches schlechtes Gerede gab es ja später, als Jesus erwachsen war – wer auch immer solches Gerede verbreiten würde: Josef hatte dieses Kind adoptiert. Beweis: die Beschneidung und die Namensgebung.
Josef hat Jesus angenommen. Er hat die volle irdische Vaterschaft anerkannt. Er hat das erstens getan, als er Maria nicht fortjagte, zweitens, als er sie mit auf die Reise nahm, drittens, indem er es gut hieß, wie das Kind in Windeln gewickelt wurde und viertens, indem er es beschneiden ließ und ihm selbst einen Namen gab. Josef hat Jesus angenommen und sich zu diesem Kind bekannt. Und das, obwohl es ihm zu Anfang nur Schwierigkeiten, Zweifel und Kopfzerbrechen bereitet hat. Warum hat Josef das alles gemacht? Weil er geglaubt hat, dass Gott mit diesem Kind anfängt, die Welt zu retten. Das hat Josef auch für sich selber geglaubt. Er war ja Teil eines Landes, das seufzend auf Erlösung wartete. Josef hat geglaubt: „Für meine Lebensfragen wird jetzt gesorgt. Jetzt geht es los, Gott hat es anlaufen lassen. Das glaube ich ihm. Deshalb nehme ich das Kind Jesus an und bekenne mich zu ihm.“
Josefs Antwort auf die Geburt Jesu. Eine mutige Antwort.
Es ist zugleich die Antwort, die jeder von uns heute geben kann auf die Geburt Jesu. „Jesus ist geboren“ – „Gott hat angefangen, Rettung in die Welt hineinzubringen“ – das ist ja keine Information, die man zur Kenntnis nehmen kann und gut. Sondern diese Nachricht fordert eine Antwort.
Josef nahm Jesus an. So kann es jeder von uns tun. Gott brachte die Rettung auf eine Weise in die Welt, die Josef sich selbst nie ausgesucht hätte. Es war ungewöhnlich und anfangs auch sehr ungemütlich für ihn. Aber Josef nahm Jesus an. Das kann jeder von uns auch tun. Wir würden die Antwort auf unsere Lebensfragen von uns aus vielleicht woanders suchen. Wir hätten schon ein paar Ideen. Aber nun hat Gott die Rettung so eingefädelt, dass sie durch Jesus kommt. Ungewöhnlich. Aber wir nehmen Jesus an – das wäre eine wunderbare Antwort auf Weihnachten: Wir nehmen Jesus an. Wie tut man das, Jesus annehmen? Vielleicht durch einen Satz, durch ein Gebet wie dieses:
„Ich möchte keine meiner Lebensfragen lösen an Jesus vorbei.“
Wer so denkt, wer so betet, hat den Retter Jesus angenommen.
Und dann kommt Rettung in die Welt? Dann rettet Gott die Welt durch Jesus? Ja wovon muss die Welt denn gerettet werden? Rettet Jesus die Welt vor der Klimakatastrophe? Da haben wir ja gesehen, wie unfähig die Politiker scheinen, die notwendigen rettenden Beschlüsse zu fassen. Diese Menschen waren in Summe offenbar nicht mutig genug dazu. Sie haben nicht die Kraft gefunden, die Welt zu retten. Rettet Jesus nun die Welt?
Gehen wir einen Schritt zurück. Es gibt ja nicht nur die globale Klimakatastrophe. Sondern auch die vielen kleinen Klimakatastrophen in unseren Familien und Beziehungen. Manchmal ist es zu hitzig, manchmal zu frostig. Da kippt ebenfalls etwas um. Da vergiftet sich ebenfalls manchmal die Atmosphäre. Wenn mitten in diesen Klimabedingungen aber Menschen leben, die sich sagen und die beten: „Ich möchte keine meiner Lebensfragen lösen an Jesus vorbei“ – wenn solche Menschen da sind: dann wird der Giftausstoß reduziert. Dann kommt etwas Heilsames hinzu. Ob es ausreichen wird? Man wird sehen. Wir müssen es versuchen.
Menschen, die so leben: „Ich möchte keine meiner Lebensfragen lösen an Jesus vorbei“ – das sind mutige Menschen. Mutig, wie Josef mutig war. Er hat ja wirklich mutige Entschlüsse getroffen. Und wenn Menschen wie Josef, die Jesus angenommen haben und mutig wurden, auch unter den Politikern wären: dann ist auch noch Hoffnung fürs Weltklima. Jeder von uns kann entscheiden für sein eigenes Leben und für den Einfluss, den jeder einzelne hat. Wenn viele Menschen mutig werden, kann die Bewegung groß werden. Aber es fängt bei jedem einzelnen an.
Josef war mutig und hat Jesus angenommen, hat sich zu ihm bekannt. Ich wünsche uns, jedem einzelnen, dass wir dieselbe Antwort geben auf Weihnachten: „Jesus – der ist meiner. Der gehört zu mir. Für den stehe ich. Denn er trägt mich. Und ich löse keine meiner Lebensfragen an ihm vorbei.“ Gott gebe uns solchen Josefs-Mut, solchen Jesus-Mut.
Amen.
„Hoffnung – aber mit Grund!“
Predigt über Lk 1,18.34: „Hoffnung – aber mit Grund!“ (20.12.2009)
Liebe Gemeinde,
in den letzten Jahren haben wir als Gemeinde etwas miterlebt, das vorher selten bei uns war: Frauen wurden schwanger und haben Kinder geboren. Es war jedes Mal ein Fest, wenn wir hier im Gottesdienst die Geburt eines neuen Babys bekannt geben konnten. Jedes Mal ist eine Hoffnung in Erfüllung gegangen.
Hoffnung: Man sagt ja auch von einer Schwangeren: Sie ist guter Hoffnung. Sie geht mit ihrem Mann einen Hoffnungsweg von neun Monaten und all den Hoffnungen, die die beiden vorher schon gehabt haben mögen.
In der Zeit, bevor Jesus geboren wurde, lebten Menschen, die auf eine bessere Zukunft hofften. Sie sahen, was gegenwärtig los war: ein besetztes Land, Armut an vielen Stellen und es war unklar, wann Gott eingreifen würde. Trotzdem hofften sie auf eine andere Zukunft. Typisch dafür war z. B. der alte Mann Simeon, von dem es heißt: „Er wartete auf die Rettung Israels.“ Aber die Berichte der Bibel über die Zeit vor Jesu Geburt kennen noch andere hoffende Menschen, und zwar zwei schwangere Frauen bzw. deren Männer. Einmal war da der alte Priester Zacharias mit seiner Frau Elisabeth. Sie hatten sehr lange gehofft auf Kinder. Aber sie bekamen keine. Die lange Zeit hatte ihre Hoffnung sehr klein werden lassen. Sie hatten schließlich hingenommen, dass es so war, wie es war. Und da war der Zimmermann Josef mit seiner Verlobten Maria. Sie hofften auf ein gemeinsames glückliches Leben, wenn sie erst einmal verheiratet wären. Die Zeiten waren hart, aber zusammen würde man glücklich sein.
Zwei hoffende Paare also. Eines mit ganz kleiner Hoffnung und eins mit wohl recht großer.
In unserem Leben ist es ganz ähnlich. Es gibt Dinge, auf die wir fröhlich hoffen, weil eigentlich alles dafür spricht, dass es auch so kommen wird. Man muss nur auf die richtige Zeit warten. Und es gibt Zustände, die drückend sind und wo wir kaum noch wissen, woher ein Grund für Hoffnung kommen soll. Hoffnung braucht ja immer einen Grund: einen Platz, wo sie ihren Anker festmachen kann. Aber wenn die Verhältnisse über lange Zeit bleiben, wie sie sind, dann scheint kein Grund vorzuliegen, dass es doch noch mal besser werden könnte.
Ich habe in den vergangenen Wochen mit vielen Menschen gesprochen und dabei – manchmal nebenbei – erfahren, wie bedrängt sie sind. Jemand ist schon krank, immer wieder, und auf einmal kommt noch eine Krankheit obendrauf. Es war so schon schwer auszuhalten, aber jetzt eine noch größere Last. Es schmerzt dann auch mich, das zu hören und daran teilzunehmen. Jemand fühlt sich den Störungen seines Nachbarn schutzlos ausgeliefert. Eine Bitte, doch Rücksicht zu nehmen, war in den Wind geredet. Die Schikanen gehen weiter und machen mürbe. Jemand sieht mit an, wie die Ehe seiner erwachsenen Kinder brüchig wird, zerbricht und wie die Enkelkinder darunter leiden. Man steht dabei und kann nicht helfen – man kann da sein und trösten, aber nichts ändern. Noch viele andere solcher Hoffnungsgespräche habe ich geführt – bzw. Gespräche, in denen die Hoffnung auf immer kleinerer Flamme brannte.
Hoffnung braucht einen Grund: einen Platz, wo sie ihren Anker festmachen kann. Sonst sind es nur wolkige Worte, die nicht tragen. Wie sehr wünsche ich den Menschen um mich und auch mir selber bei meinen Lasten eine fest verankerte Hoffnung.
Was passierte mit den beiden Ehepaaren: Zacharias und Elisabeth sowie Josef und Maria? Die einen mit kleiner Hoffnung und die anderen mit großer, und alle vier in einem Land, das auf seine Erlösung wartete?
Beide Paare wurden schwanger. Beide unerwartet. Bei den einen kam die Schwangerschaft viel später als gedacht. Bei den anderen viel früher. Als Elisabeth dann schwanger war, kann man wirklich sagen, sie war guter Hoffnung. Als Maria schwanger wurde – war das für sie und ihren Mann eine gute Hoffnung? Einen Haufen Probleme würden sie bekommen. Unverheiratet, Josef hatte mit Maria noch nicht geschlafen, er musste ja denken, sie hätte es von einem anderen, und Maria hatte die Aufgabe, erstens dem Engel das Unglaubliche zu glauben – vom Heiligen Geist würde sie schwanger werden –, und zweitens, das ihrem Verlobten glaubhaft zu machen. Das war eine Schwangerschaft wirklich zur Unzeit für diese beiden Menschen und sie waren zu Beginn wohl nicht „guter“ Hoffnung.
Beide Paare haben noch etwas gemeinsam. Beiden wurde der Nachwuchs durch einen Engel angekündigt. Gott hat es vorher gesagt, damit sie sich darauf vorbereiten könnten. Diese Vorbereitung war nötig. Maria brauchte ja diese Information, um nicht in blankes Entsetzen auszubrechen, als ihre Regel ausblieb und ihr Bauch wuchs. Und Zacharias brauchte diese Information, damit er überhaupt noch wieder Hoffnung schöpfte und im Alter noch einmal eine erotische Stunde mit seiner Frau arrangierte.
Die Gemeinsamkeiten zwischen beiden Paaren gehen noch weiter. Nicht nur dass beide die Nachricht durch einen Engel bekamen, sondern auch was sie dem Engel antworteten, verbindet sie. Ihre Antworten klingen ganz ähnlich. Und doch sind sie sehr verschieden. Die eine wagt Glauben und gibt Raum für die Hoffnung; der andere ist skeptisch. Hören wir mal auf ihre beiden Antworten, wie der biblische bericht aus dem Lukasevangelium sie uns zeigt.
Zacharias:
18 Und Zacharias sagte zu dem Engel: Woran soll ich das erkennen? Ich selbst bin ja alt, und meine Frau ist schon betagt. (Lk 1)
Maria:
34 Da sagte Maria zu dem Engel: Wie soll das geschehen, da ich doch von keinem Mann weiß? (Lk 1)
Beide antworten zunächst sinngemäß so: Kann das denn sein? Das kann ja wohl nicht sein! Danach geht die Geschichte jeweils unterschiedlich weiter. Zacharias wird kritisiert. Der Engel erkennt in seiner Antwort keinen Glauben. Also bekommt Zacharias zwar sein Zeichen, aber das ist nicht witzig: Er ist monatelang stumm. Zeit, über Glauben und Hoffnung nachzudenken. Maria wird nicht kritisiert. Sie zeigt offenbar keinen Unglauben. Sondern sie sagt ja abschließend: „Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast.“ Dieser Satz enthält Hoffnung.
Aber vorher sagen doch beide ungefähr dasselbe! Beide bringen ihre Bedenken vor, beide schlucken ihre Einwände nicht runter! Wieso glaubt die eine, der andere aber nicht? Es liegt natürlich nicht an den Worten. Es liegt an der Haltung ihres Herzens. Wenn denn ein Engel die Herzen der Menschen lesen kann, dann fand er bei Zacharias ein Herz, das eher verschlossen war für Gottes Möglichkeiten. Und bei Maria ein Herz, das eher offen war für die Möglichkeiten Gottes. Diese Haltung ihrer Herzen nun drückt sich doch auch in ihren Worten aus, so gleichartig sie scheinen. Vielleicht ist es kein Zufall, dass Zacharias mit einer Feststellung schließt und Punkt. „Ich bin alt und meine Frau auch.“ Für ihn ist mit einer Tatsache alles gesagt. Maria aber schließt mit einer Frage. Sie bleibt also offen. Vielleicht verläuft hier die Grenze zwischen Zweifel und Hoffnung: ob wir Gott gegenüber einen Punkt machen oder eine Frage offen lassen.
Wenn ich an die Menschen denke, von denen ich kurz erzählt habe, Menschen mit ihren Enttäuschungen, und wenn ich an mich selbst denke mit meinen zerbrechlichen Hoffnungen, dann müssen wir uns alle, jeder für sich, dieser Frage stellen: Machen wir einen Punkt Gott gegenüber oder lassen wir eine Frage offen? Schreiben wir fest, dass sich nichts mehr ändern wird, Tatsache, Punkt –? Oder lassen wir die Tür für Gott offen, fragen wir Gott kopfschüttelnd, wie das denn bloß möglich sein solle, aber dann bleibt eben die Frage im Raum und Gott kann antworten?
Maria endete mit einer Frage und bekam dann auch eine Antwort vom Engel: „Denn für Gott ist nichts unmöglich.“ Das ist ein heller klarer Grund für Hoffnung. Hoffnung braucht ja Grund: einen Platz, wo sie ihren Anker festmachen kann. Sonst sind es nur wolkige Worte, die nicht tragen. „Für Gott ist nichts unmöglich“ – das ist wirklich ein Ankergrund für Hoffnung.
Ich selber habe die vergangenen Wochen viel über Hoffnung nachgedacht und musste merken, dass meine Seele da Zickzackkurs gefahren ist. Manchmal war ich richtig fröhlich und erwartungsvoll. Dann wieder sehr enttäuscht und entmutigt. Aber in dieser Zeit hat mich ein Satz getroffen, der sich als beständig erwiesen hat. Dieser Satz war einer der wichtigen Impulse dafür, heute über Hoffnung zu predigen. Der Generalsekretär des Europäischen Baptistenbundes hat ihn in einem Vortrag gesagt:
„[Gemeinden] müssen Träger dieser Hoffnung sein, [...] die es ablehnen, irgendeine Situation als »hoffnungslos« oder unerreichbar für die heilende Kraft Christi zu beschreiben.“ (Tony Peck)
Tony Peck macht hier zuerst etwas, was eigentlich gar nicht geht: Er sagt, man „muss“ als Christ Hoffnung haben. Hoffnung kann man aber nicht anordnen. Ich kann nicht hoffen müssen. Aber dann wird ein sehr klarer Grund für die Hoffnung genannt. Es gibt für ihn keine Situation, die unerreichbar für die heilende Kraft Christi ist. Also andersherum: Die heilende Kraft Christi ist wirksam und sie kann mich erreichen und kann jeden erreichen, der sie braucht. Wenn das so ist, dann ist wirklich keine Situation hoffnungslos.
Hoffnung ist das Gegenteil von Enttäuschung. Enttäuschung und Hoffnung sind zwei Kräfte, die gegeneinander stehen. Ich habe in den vergangenen Wochen auch mit etlichen Menschen aus unserer Gemeinde gesprochen, deren Hoffnung verschwunden ist. Sie sind so enttäuscht, dass nichts mehr blieb. Das tut mir weh, aber ich kann es auch verstehen. Jeder hat da seine eigene Geschichte, über die kein Mensch zu Gericht sitzen darf. Und man kann ja Hoffnung nicht anordnen. Keiner kann hoffen müssen.
Aber dann kommt diese Frage aus dem Vortag von Tony Peck. Ich muss sie mir zuerst selbst stellen. Sie lautet für mich und für uns alle, die wir belastet sind und deren Hoffnung nur noch am Flackern ist:
Ist unsere Situation noch erreichbar für die heilende Kraft Christi? Ist deine Situation wirklich unerreichbar für die heilende Kraft Christi?
Diese Frage muss sich jeder beantworten, der im Begriff ist zu resignieren.
Wenn ich mir diese Frage stelle, ist das längst keine billige Durchhalteparole. Es ist eine echte Frage. Und man kann sie nicht einfach fromm abnicken und sagen: Jaja, Jesus ist immer und überall, also wird alles gut. Das wäre wirklich zu platt. So eine Haltung würde nicht ernst nehmen, wie tief manche Menschen enttäuscht sind. Menschen z. B., die nicht verstehen, warum sie so lange im Alter noch unter Schmerzen leben und warum der Herr sie nicht in die Ewigkeit heimruft. Denen können wir nicht oberflächlich sagen: Jaja, der Herr Jesus macht schon alles gut. Und wir können es auch nicht sagen zu denen, deren Hoffnung in der Gemeinde angeknackst oder zerbrochen ist. Glaube heißt nicht, alle Rückfragen herunterzuschlucken. Auch Maria „durfte“ sagen: „Wie soll das geschehen, da ich doch von keinem Mann weiß?“ Sie hat die Fakten benannt. Kein frommes Jaja.
Aber uns allen will und muss ich diese Frage zumuten: Ist deine Situation wirklich unerreichbar für die heilende Kraft Christi?
Es könnte wohl sein, dass jemand unerreichbar ist für die heilende Kraft Christi. Heilende Kraft ist ja für denjenigen da, der Heilung braucht. Wer gesund ist oder wer meint, gesund zu sein, der braucht keine heilende Kraft. Von Christus aus ist seine heilende Kraft zwar da und in Reichweite. Aber derjenige, der sich für gesund hält, macht sich selbst unerreichbar für die heilende Kraft Christi. Das kann wohl sein. Darüber muss kein Mensch urteilen. Das würde Gott demjenigen selber sagen: He, ob du dir nicht doch noch mehr Heilung durch Christus wünschen müsstest?
Auch dabei gilt aber: Von Christus aus ist seine heilende Kraft da und in Reichweite. Wir alle stehen im Kampf zwischen Enttäuschung und Hoffnung. Das betrifft für jeden eine andere Frage. Die Frage nach Krankheit; die Frage „wie lange noch auf diese Erde bis zur Ewigkeit!“; die Frage, wie man es aushalten kann, nicht helfen zu können, wenn jemand in Not ist. Auch die Frage nach der Gemeinde. Jeder von uns muss sich eine Antwort geben: Ist deine Situation wirklich unerreichbar für die heilende Kraft Christi?
Und dann kommt es darauf an, wie diese Antwort ausfällt. Hat sie einen Punkt wie bei Zacharias? „Tatsachen sind Tatsachen und Punkt!“ Oder bleibt eine Frage im Raum stehen, die Gott dann beantworten kann? „Wie soll das zugehen?“ – „Gott, ich habe davon keine Ahnung, aber sprich doch bitte weiter. Ich bleibe ganz Ohr.“
Gott hat dann zu Maria weiter gesprochen, durch den Engel. Der Engel hat darauf gezeigt, was mit der anderen Frau, mit Elisabeth passiert ist, die auch unerwartet schwanger wurde, die jetzt guter Hoffnung war. Und der Engel hat gesagt: „Denn für Gott ist nichts unmöglich.“
Maria hat sich darauf eingelassen. Weil sie nicht zu früh einen Punkt gemacht hat. „Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast.“ Und dann konnte die unverheiratete Frau, bisher ohne Verkehr mit einem Mann, die zuerst noch in Schwierigkeiten kommen würde durch diese Schwangerschaft – dann konnte sie dennoch „guter Hoffnung“ werden.
Amen.
Liebe Gemeinde,
in den letzten Jahren haben wir als Gemeinde etwas miterlebt, das vorher selten bei uns war: Frauen wurden schwanger und haben Kinder geboren. Es war jedes Mal ein Fest, wenn wir hier im Gottesdienst die Geburt eines neuen Babys bekannt geben konnten. Jedes Mal ist eine Hoffnung in Erfüllung gegangen.
Hoffnung: Man sagt ja auch von einer Schwangeren: Sie ist guter Hoffnung. Sie geht mit ihrem Mann einen Hoffnungsweg von neun Monaten und all den Hoffnungen, die die beiden vorher schon gehabt haben mögen.
In der Zeit, bevor Jesus geboren wurde, lebten Menschen, die auf eine bessere Zukunft hofften. Sie sahen, was gegenwärtig los war: ein besetztes Land, Armut an vielen Stellen und es war unklar, wann Gott eingreifen würde. Trotzdem hofften sie auf eine andere Zukunft. Typisch dafür war z. B. der alte Mann Simeon, von dem es heißt: „Er wartete auf die Rettung Israels.“ Aber die Berichte der Bibel über die Zeit vor Jesu Geburt kennen noch andere hoffende Menschen, und zwar zwei schwangere Frauen bzw. deren Männer. Einmal war da der alte Priester Zacharias mit seiner Frau Elisabeth. Sie hatten sehr lange gehofft auf Kinder. Aber sie bekamen keine. Die lange Zeit hatte ihre Hoffnung sehr klein werden lassen. Sie hatten schließlich hingenommen, dass es so war, wie es war. Und da war der Zimmermann Josef mit seiner Verlobten Maria. Sie hofften auf ein gemeinsames glückliches Leben, wenn sie erst einmal verheiratet wären. Die Zeiten waren hart, aber zusammen würde man glücklich sein.
Zwei hoffende Paare also. Eines mit ganz kleiner Hoffnung und eins mit wohl recht großer.
In unserem Leben ist es ganz ähnlich. Es gibt Dinge, auf die wir fröhlich hoffen, weil eigentlich alles dafür spricht, dass es auch so kommen wird. Man muss nur auf die richtige Zeit warten. Und es gibt Zustände, die drückend sind und wo wir kaum noch wissen, woher ein Grund für Hoffnung kommen soll. Hoffnung braucht ja immer einen Grund: einen Platz, wo sie ihren Anker festmachen kann. Aber wenn die Verhältnisse über lange Zeit bleiben, wie sie sind, dann scheint kein Grund vorzuliegen, dass es doch noch mal besser werden könnte.
Ich habe in den vergangenen Wochen mit vielen Menschen gesprochen und dabei – manchmal nebenbei – erfahren, wie bedrängt sie sind. Jemand ist schon krank, immer wieder, und auf einmal kommt noch eine Krankheit obendrauf. Es war so schon schwer auszuhalten, aber jetzt eine noch größere Last. Es schmerzt dann auch mich, das zu hören und daran teilzunehmen. Jemand fühlt sich den Störungen seines Nachbarn schutzlos ausgeliefert. Eine Bitte, doch Rücksicht zu nehmen, war in den Wind geredet. Die Schikanen gehen weiter und machen mürbe. Jemand sieht mit an, wie die Ehe seiner erwachsenen Kinder brüchig wird, zerbricht und wie die Enkelkinder darunter leiden. Man steht dabei und kann nicht helfen – man kann da sein und trösten, aber nichts ändern. Noch viele andere solcher Hoffnungsgespräche habe ich geführt – bzw. Gespräche, in denen die Hoffnung auf immer kleinerer Flamme brannte.
Hoffnung braucht einen Grund: einen Platz, wo sie ihren Anker festmachen kann. Sonst sind es nur wolkige Worte, die nicht tragen. Wie sehr wünsche ich den Menschen um mich und auch mir selber bei meinen Lasten eine fest verankerte Hoffnung.
Was passierte mit den beiden Ehepaaren: Zacharias und Elisabeth sowie Josef und Maria? Die einen mit kleiner Hoffnung und die anderen mit großer, und alle vier in einem Land, das auf seine Erlösung wartete?
Beide Paare wurden schwanger. Beide unerwartet. Bei den einen kam die Schwangerschaft viel später als gedacht. Bei den anderen viel früher. Als Elisabeth dann schwanger war, kann man wirklich sagen, sie war guter Hoffnung. Als Maria schwanger wurde – war das für sie und ihren Mann eine gute Hoffnung? Einen Haufen Probleme würden sie bekommen. Unverheiratet, Josef hatte mit Maria noch nicht geschlafen, er musste ja denken, sie hätte es von einem anderen, und Maria hatte die Aufgabe, erstens dem Engel das Unglaubliche zu glauben – vom Heiligen Geist würde sie schwanger werden –, und zweitens, das ihrem Verlobten glaubhaft zu machen. Das war eine Schwangerschaft wirklich zur Unzeit für diese beiden Menschen und sie waren zu Beginn wohl nicht „guter“ Hoffnung.
Beide Paare haben noch etwas gemeinsam. Beiden wurde der Nachwuchs durch einen Engel angekündigt. Gott hat es vorher gesagt, damit sie sich darauf vorbereiten könnten. Diese Vorbereitung war nötig. Maria brauchte ja diese Information, um nicht in blankes Entsetzen auszubrechen, als ihre Regel ausblieb und ihr Bauch wuchs. Und Zacharias brauchte diese Information, damit er überhaupt noch wieder Hoffnung schöpfte und im Alter noch einmal eine erotische Stunde mit seiner Frau arrangierte.
Die Gemeinsamkeiten zwischen beiden Paaren gehen noch weiter. Nicht nur dass beide die Nachricht durch einen Engel bekamen, sondern auch was sie dem Engel antworteten, verbindet sie. Ihre Antworten klingen ganz ähnlich. Und doch sind sie sehr verschieden. Die eine wagt Glauben und gibt Raum für die Hoffnung; der andere ist skeptisch. Hören wir mal auf ihre beiden Antworten, wie der biblische bericht aus dem Lukasevangelium sie uns zeigt.
Zacharias:
18 Und Zacharias sagte zu dem Engel: Woran soll ich das erkennen? Ich selbst bin ja alt, und meine Frau ist schon betagt. (Lk 1)
Maria:
34 Da sagte Maria zu dem Engel: Wie soll das geschehen, da ich doch von keinem Mann weiß? (Lk 1)
Beide antworten zunächst sinngemäß so: Kann das denn sein? Das kann ja wohl nicht sein! Danach geht die Geschichte jeweils unterschiedlich weiter. Zacharias wird kritisiert. Der Engel erkennt in seiner Antwort keinen Glauben. Also bekommt Zacharias zwar sein Zeichen, aber das ist nicht witzig: Er ist monatelang stumm. Zeit, über Glauben und Hoffnung nachzudenken. Maria wird nicht kritisiert. Sie zeigt offenbar keinen Unglauben. Sondern sie sagt ja abschließend: „Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast.“ Dieser Satz enthält Hoffnung.
Aber vorher sagen doch beide ungefähr dasselbe! Beide bringen ihre Bedenken vor, beide schlucken ihre Einwände nicht runter! Wieso glaubt die eine, der andere aber nicht? Es liegt natürlich nicht an den Worten. Es liegt an der Haltung ihres Herzens. Wenn denn ein Engel die Herzen der Menschen lesen kann, dann fand er bei Zacharias ein Herz, das eher verschlossen war für Gottes Möglichkeiten. Und bei Maria ein Herz, das eher offen war für die Möglichkeiten Gottes. Diese Haltung ihrer Herzen nun drückt sich doch auch in ihren Worten aus, so gleichartig sie scheinen. Vielleicht ist es kein Zufall, dass Zacharias mit einer Feststellung schließt und Punkt. „Ich bin alt und meine Frau auch.“ Für ihn ist mit einer Tatsache alles gesagt. Maria aber schließt mit einer Frage. Sie bleibt also offen. Vielleicht verläuft hier die Grenze zwischen Zweifel und Hoffnung: ob wir Gott gegenüber einen Punkt machen oder eine Frage offen lassen.
Wenn ich an die Menschen denke, von denen ich kurz erzählt habe, Menschen mit ihren Enttäuschungen, und wenn ich an mich selbst denke mit meinen zerbrechlichen Hoffnungen, dann müssen wir uns alle, jeder für sich, dieser Frage stellen: Machen wir einen Punkt Gott gegenüber oder lassen wir eine Frage offen? Schreiben wir fest, dass sich nichts mehr ändern wird, Tatsache, Punkt –? Oder lassen wir die Tür für Gott offen, fragen wir Gott kopfschüttelnd, wie das denn bloß möglich sein solle, aber dann bleibt eben die Frage im Raum und Gott kann antworten?
Maria endete mit einer Frage und bekam dann auch eine Antwort vom Engel: „Denn für Gott ist nichts unmöglich.“ Das ist ein heller klarer Grund für Hoffnung. Hoffnung braucht ja Grund: einen Platz, wo sie ihren Anker festmachen kann. Sonst sind es nur wolkige Worte, die nicht tragen. „Für Gott ist nichts unmöglich“ – das ist wirklich ein Ankergrund für Hoffnung.
Ich selber habe die vergangenen Wochen viel über Hoffnung nachgedacht und musste merken, dass meine Seele da Zickzackkurs gefahren ist. Manchmal war ich richtig fröhlich und erwartungsvoll. Dann wieder sehr enttäuscht und entmutigt. Aber in dieser Zeit hat mich ein Satz getroffen, der sich als beständig erwiesen hat. Dieser Satz war einer der wichtigen Impulse dafür, heute über Hoffnung zu predigen. Der Generalsekretär des Europäischen Baptistenbundes hat ihn in einem Vortrag gesagt:
„[Gemeinden] müssen Träger dieser Hoffnung sein, [...] die es ablehnen, irgendeine Situation als »hoffnungslos« oder unerreichbar für die heilende Kraft Christi zu beschreiben.“ (Tony Peck)
Tony Peck macht hier zuerst etwas, was eigentlich gar nicht geht: Er sagt, man „muss“ als Christ Hoffnung haben. Hoffnung kann man aber nicht anordnen. Ich kann nicht hoffen müssen. Aber dann wird ein sehr klarer Grund für die Hoffnung genannt. Es gibt für ihn keine Situation, die unerreichbar für die heilende Kraft Christi ist. Also andersherum: Die heilende Kraft Christi ist wirksam und sie kann mich erreichen und kann jeden erreichen, der sie braucht. Wenn das so ist, dann ist wirklich keine Situation hoffnungslos.
Hoffnung ist das Gegenteil von Enttäuschung. Enttäuschung und Hoffnung sind zwei Kräfte, die gegeneinander stehen. Ich habe in den vergangenen Wochen auch mit etlichen Menschen aus unserer Gemeinde gesprochen, deren Hoffnung verschwunden ist. Sie sind so enttäuscht, dass nichts mehr blieb. Das tut mir weh, aber ich kann es auch verstehen. Jeder hat da seine eigene Geschichte, über die kein Mensch zu Gericht sitzen darf. Und man kann ja Hoffnung nicht anordnen. Keiner kann hoffen müssen.
Aber dann kommt diese Frage aus dem Vortag von Tony Peck. Ich muss sie mir zuerst selbst stellen. Sie lautet für mich und für uns alle, die wir belastet sind und deren Hoffnung nur noch am Flackern ist:
Ist unsere Situation noch erreichbar für die heilende Kraft Christi? Ist deine Situation wirklich unerreichbar für die heilende Kraft Christi?
Diese Frage muss sich jeder beantworten, der im Begriff ist zu resignieren.
Wenn ich mir diese Frage stelle, ist das längst keine billige Durchhalteparole. Es ist eine echte Frage. Und man kann sie nicht einfach fromm abnicken und sagen: Jaja, Jesus ist immer und überall, also wird alles gut. Das wäre wirklich zu platt. So eine Haltung würde nicht ernst nehmen, wie tief manche Menschen enttäuscht sind. Menschen z. B., die nicht verstehen, warum sie so lange im Alter noch unter Schmerzen leben und warum der Herr sie nicht in die Ewigkeit heimruft. Denen können wir nicht oberflächlich sagen: Jaja, der Herr Jesus macht schon alles gut. Und wir können es auch nicht sagen zu denen, deren Hoffnung in der Gemeinde angeknackst oder zerbrochen ist. Glaube heißt nicht, alle Rückfragen herunterzuschlucken. Auch Maria „durfte“ sagen: „Wie soll das geschehen, da ich doch von keinem Mann weiß?“ Sie hat die Fakten benannt. Kein frommes Jaja.
Aber uns allen will und muss ich diese Frage zumuten: Ist deine Situation wirklich unerreichbar für die heilende Kraft Christi?
Es könnte wohl sein, dass jemand unerreichbar ist für die heilende Kraft Christi. Heilende Kraft ist ja für denjenigen da, der Heilung braucht. Wer gesund ist oder wer meint, gesund zu sein, der braucht keine heilende Kraft. Von Christus aus ist seine heilende Kraft zwar da und in Reichweite. Aber derjenige, der sich für gesund hält, macht sich selbst unerreichbar für die heilende Kraft Christi. Das kann wohl sein. Darüber muss kein Mensch urteilen. Das würde Gott demjenigen selber sagen: He, ob du dir nicht doch noch mehr Heilung durch Christus wünschen müsstest?
Auch dabei gilt aber: Von Christus aus ist seine heilende Kraft da und in Reichweite. Wir alle stehen im Kampf zwischen Enttäuschung und Hoffnung. Das betrifft für jeden eine andere Frage. Die Frage nach Krankheit; die Frage „wie lange noch auf diese Erde bis zur Ewigkeit!“; die Frage, wie man es aushalten kann, nicht helfen zu können, wenn jemand in Not ist. Auch die Frage nach der Gemeinde. Jeder von uns muss sich eine Antwort geben: Ist deine Situation wirklich unerreichbar für die heilende Kraft Christi?
Und dann kommt es darauf an, wie diese Antwort ausfällt. Hat sie einen Punkt wie bei Zacharias? „Tatsachen sind Tatsachen und Punkt!“ Oder bleibt eine Frage im Raum stehen, die Gott dann beantworten kann? „Wie soll das zugehen?“ – „Gott, ich habe davon keine Ahnung, aber sprich doch bitte weiter. Ich bleibe ganz Ohr.“
Gott hat dann zu Maria weiter gesprochen, durch den Engel. Der Engel hat darauf gezeigt, was mit der anderen Frau, mit Elisabeth passiert ist, die auch unerwartet schwanger wurde, die jetzt guter Hoffnung war. Und der Engel hat gesagt: „Denn für Gott ist nichts unmöglich.“
Maria hat sich darauf eingelassen. Weil sie nicht zu früh einen Punkt gemacht hat. „Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast.“ Und dann konnte die unverheiratete Frau, bisher ohne Verkehr mit einem Mann, die zuerst noch in Schwierigkeiten kommen würde durch diese Schwangerschaft – dann konnte sie dennoch „guter Hoffnung“ werden.
Amen.
Montag, 7. Dezember 2009
Predigt über Ex 3,1-10:
„Der heilige Gott – Feuer oder Dornen?“
Liebe Gemeinde,
wenn am helllichten Vormittag mitten in der Woche das Parkhaus von Ahrens völlig belegt ist, dann muss es da wohl etwas umsonst geben. Oder es ist Advent. Keine Zeit im Jahr ist so unruhig auf den Straßen und in keiner Jahreszeit freuen wir uns mehr an der Ruhe. Widersprüchlich, aber so ist es.
Christen wissen, dass Adventszeit mehr ist als nur behaglich bei Punsch und Kerze zu sitzen. Wir öffnen uns dafür, dass Gott kommt. Wir stellen uns darauf ein, dass Gott uns begegnen möchte. Das kann Gott mitten in der Unruhe – zum Glück. Und dann berührt er uns viel packender, als es Kaminfeuer und Zimtduft können.
Gott ist seinen Leuten immer schon im fahrigen Alltag begegnet. Heute hören wir einen biblischen Bericht davon, Es ist keine typische Adventsgeschichte aus der Bibel – aber andererseits doch, denn Gott kam an, mitten im Leben eines Mannes. Hören wir auf 2.Mose 3,1-10.
1 Mose weidete die Schafe und Ziegen seines Schwiegervaters Jitro, des Priesters von Midian. Eines Tages trieb er das Vieh über die Steppe hinaus und kam zum Gottesberg Horeb. 2 Dort erschien ihm der Engel des Herrn in einer Flamme, die aus einem Dornbusch emporschlug. Er schaute hin: Da brannte der Dornbusch und verbrannte doch nicht. 3 Mose sagte: Ich will dorthin gehen und mir die außergewöhnliche Erscheinung ansehen. Warum verbrennt denn der Dornbusch nicht?
4 Als der Herr sah, dass Mose näher kam, um sich das anzusehen, rief Gott ihm aus dem Dornbusch zu: Mose, Mose! Er antwortete: Hier bin ich. 5 Der Herr sagte: Komm nicht näher heran! Leg deine Schuhe ab; denn der Ort, wo du stehst, ist heiliger Boden. 6 Dann fuhr er fort: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Da verhüllte Mose sein Gesicht; denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen.
7 Der Herr sprach: Ich habe das Elend meines Volkes in Ägypten gesehen und ihre laute Klage über ihre Antreiber habe ich gehört. Ich kenne ihr Leid. 8 Ich bin herabgestiegen, um sie der Hand der Ägypter zu entreißen und aus jenem Land hinaufzuführen in ein schönes, weites Land, in ein Land, in dem Milch und Honig fließen, in das Gebiet der Kanaaniter, Hetiter, Amoriter, Perisiter, Hiwiter und Jebusiter. 9 Jetzt ist die laute Klage der Israeliten zu mir gedrungen und ich habe auch gesehen, wie die Ägypter sie unterdrücken. 10 Und jetzt geh! Ich sende dich zum Pharao. Führe mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten heraus! (Exodus 3)
Mose erlebt seinen Advent: Gott begegnet ihm. Gott tut das an einem gewöhnlichen Arbeitstag. Mose ist gut drauf. Er hat einen überschaubaren, nicht zu anstrengenden Job – Schaf- und Ziegenhirte –, und er macht den gut. „Eines Tages trieb er das Vieh über die Steppe hinaus.“ Mose geht weiter als bisher. Er will wohl neue Weideplätze erschließen. Er sorgt vor, er hat dazu die Energie. Mose ist gut drauf an diesem Arbeitstag.
Plötzlich entdeckt er etwas ganz Unfassbares: Eine Erscheinung, wie sie noch kein Mensch vorher gesehen hat. Ein Dornbusch brennt. Klar, Dornenhecken liefern immer schon das Brennmaterial. Es brennt nicht lange, sondern schnell und prasselnd, aber wenn man nichts anderes hat, kocht man auch mal auf Dornenfeuer schnell eine Suppe ab. Bloß – dieser trockene Dornbusch verbrennt nicht. Lange nicht. Überhaupt nicht.
Mose lässt sich nicht aus der Fassung bringen. „Ich will hingehen und mir diese außerordentliche Sache ansehen!“ Mose ist neugierig, er hat keine Angst, er fühlt sich fit. „Ich will hingehen“ – „ich will“. Ein Mann auf der Höhe seiner Kraft.
Und jetzt begegnet ihm Gott. Der heilige Gott. Jetzt ist Mose total herausgerissen aus seinem Arbeitstag und auch mit seiner eigenen Stärke ist es vorbei. Mose hört, dass es heiliger Boden ist, dass er, Mose, die Schuhe ablegen muss. Mose verhüllt sein Gesicht, weil er sofort kapiert hat: Das ist eine heilige Begegnung. Ich kann hier nicht einfach auftreten, wie ich es gewöhnt bin. Ich stehe – unglaublich! – dem heiligen Gott gegenüber.
Heiliger Gott und normaler Alltag – das passt nicht zusammen. Das muss sich gegenseitig abstoßen. Was machst du, wenn dir mitten in deiner Arbeit Gott einfällt? Lässt du alles stehen und liegen? Oder denkst du schnell an was anderes? Fühlst du sich ertappt dabei, dass du gerade so was Gewöhnliches machst und dich gar nicht heilig fühlst?
Was hat Mose eigentlich gesehen, als er vor dem Dornbusch stand? In einer bayrischen Kirche gibt es dieses Deckengemälde hier: Mose kniet dem Busch gegenüber. Er hat sich niedergeworfen vor Gott. Warum? Weil er Dornen sah oder weil er das Feuer sah? Beides kann abstoßen. Beides könnte ein Zeichen sein für den heiligen Gott. Wir können Gott sehen als den, der scharf ist wie Dornen. Oder aber als den, der glüht wie Feuer. Zwei Möglichkeiten gibt es. Der Heilige Gott – ist er für dich der Dornbusch, vor dem du zurückweichst? Oder das Feuer, vor dem du dich beugst?
Wir wollen beide Möglichkeiten einmal anschauen. Was bedeuten die Dornen? Für Hebräer war eine Dornenhecke ein klarer Fall. Sie ist stachelig, abweisend, man kann sie sehr gut als Abwehrzaun fürs Feld benutzen. Eine Dornenhecke trägt keine Früchte, man kann von ihr nichts ernten. Sie ist ziemlich wertlos. Wenigstens brennt sie gut – man kann Feuer damit machen. In der Bibel sind Dornen auch manchmal ein Gleichnis für etwas ganz Nichtiges. Wenn man jemanden verspotten wollte, verglich man ihn mit einem Dornstrauch. „Du bist in unserem schönen Garten nun mal der Dornstrauch!“ So also empfanden die Hebräer den Dornbusch: wertlos und widerständig.
Wenn Glaubende an den Heiligen Gott denken, dann besteht immer diese Versuchung: den heiligen Gott zu sehen wie einen Dornbusch. Dort hat er sich doch gezeigt! Warum im Dornbusch? Wertlos ist er nicht, das verbinden wir nicht mit Gott. Dann also widerständig. Der Heilige Gott ist einer, dem man nicht zu nahe kommen kann. Er könnte uns sonst verletzen. Dornenheiligkeit – so könnte man Gottes Heiligkeit sehen. Und würde das nicht auch der biblischen Lehre entsprechen? Der unfassbare Gott, man darf nicht mit ihm spielen, man darf ihn nicht alltäglich machen, er muss etwas Besonderes bleiben! Er verlangt Respekt. Er kann uns ja auch strafen! Das ist sein Recht. Dornenheiligkeit.
Eine solche Sicht auf den heiligen Gott ist unter Christen weit verbreitet. Und daraus folgt ein entsprechendes Leben. Wer Gott als widrig, widerständig sieht, der geht auch entsprechend mit ihm um. (Oder besser: Der geht nicht mit ihm um – der umgeht ihn!) Ich möchte einige Merkmale des Lebens zeigen, das von Dornenheiligkeit bestimmt ist:
Abstand. Ich halte mich in einiger Entfernung von Gott. Das wirkt sich aus, z. B. darauf, wie ich bete. Ich bete manches Gebet zu Gott, aber mein Herz öffne ich ihm nicht. Mein Herz ist ja verletzbar. Wer weiß, wie der heilige Gott das findet, was mich wirklich bewegt? Ich zeige es ihm lieber nicht. Ich bete lieber unverfängliche Gebete. Abstand. Wenn ich mir mal was wirklich Gutes tun will, dann sorge ich für mich. Gott hat damit nichts zu tun. Ich weiß schon, wie ich mich belohnen kann. Gott sage ich Dank, ja, aber entspannen muss ich für mich selbst. Wenn Gott der Heilige ist, kann ich doch vor ihm nicht entspannen! Also Abstand.
Ich höre ihm auch lieber nicht richtig zu. Was soll schon ein heiliger Gott anderes sagen als Gebote für mein Leben? Wer weiß, was er alles von mir will? Ich setze mich seinen Worten lieber nicht wirklich aus. Ich weiß eh schon, was los ist: Ich genüge nicht vor ihm, ich muss mich bessern. So was kann ich aber nicht ständig hören. Das macht einen doch krank. Also lieber nicht ihm stillhalten und auf ihn hören. – Wenn ich so lebe, laufe ich allerdings in eine böse Falle. Ich habe ja nicht echt auf Gott gehört. Also geistern die falschen Botschaften in meinem Kopf herum. Ich halte mich für einen, der nicht gut angesehen ist bei Gott. Weil das aber kaum zum Aushalten ist, tue ich so, als wäre doch noch ein anständiger Kern in mir. So schlimm kann es ja wohl nicht sein mit mir? Nur eben so ungenügend, dass ich nicht nahe an Gott herankommen darf – meine ich. Dornenheiligkeit Gottes sehe ich ja. Und höre nicht die Stimme Gottes, der mir sagt: „Ich liebe dich unendlich!“ Weil ich mich nicht traue, Gott zuzuhören, verpasse ich Gottes leise Stimme und bin den eigenen frommen Gedanken in mir ausgeliefert. Warum nur habe ich ihm denn nicht zugehört? Weil ich ihn sehe als heiligen Gott wie mit Dornen umhüllt.
Und noch eine Haltung kommt aus der Dornenheiligkeit: Ich reserviere für diesen Gott einen heiligen Bezirk in meinem Leben. Weil er eben so heilig ist, passt mein Alltag nicht zu ihm. Er verlangt Würde, Ehre, Respekt – also zirkle ich eine Zone ab, in der er das bekommt. Sonntags. Oder wenn ich mich aufraffe zum Beten. Und danach gehe ich wieder in mein eigentliches Leben, das ja – so denke ich – nicht zu Gott passt. Im Grunde zäune ich ihn ein in einen frommen Sperrbezirk. Wie soll es anders sein, wenn er heilig ist wie Dornen?
In all dem behalte ich die Kontrolle. Ich entscheide, wie nah ich Gott komme und wie nah er mir kommen darf. Ich brauche auch diese Kontrolle, um mich vor Verletzungen zu schützen. Dornen verletzen. Gottes Heiligkeit könnte mich vernichten. Also muss ich kontrollieren. Ich bin wie Mose, der gesagt hatte: „Ich will mal hingehen und mir das ansehen.“ Ich gehe, ich sehe, ich gehe dann auch wieder weg und sehe weg. Ich bestimme.
Wir alle haben sicherlich gespürt, dass Gott so nicht ist. Er ist heilig, aber nicht wie ein Dornbusch, widerständig. Sondern er ist heilig wie brennendes Feuer. Gott ist durchglüht. Heilige Leidenschaft für seine Menschen. Heilige Liebe. Immer noch ist Gott kein Mensch und nicht wie wir. Aber er verletzt nicht, wie Dornen es tun. Sondern er lodert wie Feuer – in Hingabe an uns.
Was bedeutete das Feuer für die hebräischen Menschen damals? Es war kostbar. Man lässt es nicht leichtfertig ausgehen. Man hütet es im Haus. Feuer ist in der Bildersprache der Bibel ein Zeichen für die Kraft von Gottes Wort. Gottes Wort lässt sich nicht unterdrücken, sondern bricht hervor wie Feuer. Feuer ist auch ein Bild für Gottes Gericht. Alles Faule und Tote und alles, was sich gegen Gott auflehnt, ist von Gottes Feuer bedroht. Von seinem Gericht.
Aber nun lasst uns hinsehen, was für ein Feuer Mose denn gesehen hat. Das Feuer war im wertlosen Dornbusch, aber es brach nicht aus als Steppenbrand. Mose war nicht bedroht von einer Feuersbrunst. Sondern das Feuer blieb bei sich. Das Feuer hielt sich in sich selbst zusammen. So ist der heilige Gott. Er ist kein Mensch, keineswegs, er ist heilig und er übt auch Gericht. Aber er bricht nicht tödlich hervor, sondern er zieht das Gericht in sich hinein. Weil Menschen vernichtet würden, brennt er in sich selbst und wütet nicht unter den Menschen. Gerade diesen Gott hat uns doch Jesus gezeigt. Gott führt sein Gericht durch, jawohl, aber nicht an den Menschen, die rebelliert haben, sondern Gott übt Gericht an sich selbst. Das Kreuz, die Hinrichtungsstätte von Jesus, ist der Ort, wo Gottes Gericht brennt, aber die Umgebung nicht verbrennt. Gott hält sein Feuer in sich. Deshalb darf leben, wer zu ihm kommt.
Was macht Mose, nachdem Gott so, im Feuer, zu ihm gekommen war, mitten in seinem Arbeitstag? Wie verhält er sich, als er dem heiligen Gott gegenübersteht?
Er muss sich die Schuhe ausziehen. Heiliger Boden verträgt keine Füße, die sofort weglaufen wollen, wenn es ihnen nicht mehr passt. Mose soll bleiben. Barfuß kann man schlecht rennen in der Steppe. Mose soll standhalten. Nicht mehr er hat die Kontrolle.
Mose verhüllt sein Gesicht. Bis eben war er noch eifrig und wollte nachsehen. Wollte sich ein Bild verschaffen. Wollte Informationen sammeln. Jetzt merkt er sofort: Das geht nicht mehr. Ich bestimme jetzt nicht mehr, was passiert. Gott bestimmt. Ich bin nicht der, der sich alles ansehen kann. Ich bin der, der angeblickt wird – vom heiligen Gott.
Nun fängt Gott an zu sprechen. Und Mose? Er hört zu! Das ist das beste Verhalten, wenn der Heilige Gott kommt, und zwar Gott nicht in Dornenheiligkeit, sondern in Feuerheiligkeit. Das ist dann das beste Verhalten: stehen bleiben und zuhören. Gottes Worten standhalten. Ihn ausreden lassen.
Darf man das als sündiger Mensch – vor Gott einfach stehen bleiben? Ja klar! Weil Gott im Feuer ist, kein Steppenbrand, sondern die Glut in sich behält – und weil Gott redet.
Und der ganze Staub meines Alltags? Mose kommt aus einem Arbeitstag, ist überhaupt nicht vorbereitet, hat sich nicht heiligen können, kein Festgewand anziehen können, er riecht noch nach Ziegen – dann vor Gott stehen?
Ja klar. Weil Gott zu Mose in dessen Arbeitstag kommt. Und, noch wichtiger: weil Gott selber sagt, was er will. „Ich habe das Elend meines Volkes in Ägypten gesehen und ihre laute Klage über ihre Antreiber habe ich gehört. Ich kenne ihr Leid. Ich bin herabgestiegen!“ Gott ist herabgestiegen in die Arbeitstage seiner ausgelaugten Leute. Dort lässt er sich sehen als Heiliger. So also verhalten Menschen sich, wenn der heilige Gott kommt: Nicht sie machen sich hübsch, nicht sie werfen den Alltag ab. Sondern Gott kommt ja herab in den dornigen Alltag, gerade mitsamt seinem heiligen Feuer, und deshalb halten wir ihm stand und hören ihm zu.
Noch einmal die Frage: Passt das denn zu Gottes Heiligkeit?
Nicht nur dem Mose begegnete Gott. Vielen anderen auch. Z. B. dem Propheten Ezechiël. Auch da umgab Gott sich mit Feuer – er kam in einer Flamme. Und sagte dann zu Ezechiël nicht: Lauf weg! Oder: Wirf dich in den Staub! Sondern: „Stell dich auf deine Füße, Menschensohn; ich will mit dir reden.“ (Ez 2,1) Stell dich aufrecht auf deine Füße. Und hör zu. Lauf nicht weg. Kontrolliere nicht und dosiere nicht, wie stark du dich auf mich einlässt. Sondern halte stand und hör zu und lass mich ausreden! Das erwartet Gott, wenn er in seiner Heiligkeit kommt.
Wir können uns nur dann so verhalten, wenn wir das richtige Bild vom heiligen Gott haben. Er ist nicht wie Dornen. Sondern wie Feuer. Leidenschaftliche Glut, unendlich kostbar.
Wir müssen also Gott richtig sehen. Es wäre ein falscher Dornengott, wenn wir meinen: Gott ist voller Liebe, aber auch voller Zorn. Er kann heute helfen und morgen strafen. Er ist gütig, aber auch gerecht. Diese Wörtlein: „aber auch“ sind verräterisch. Nein, weil Gott Liebe ist, durch und durch, dürfen wir da kein „Aber“ dranhängen. Und wenn wir unseren Kindern beibringen, Gott sei beides gleichermaßen, gütig und zornig, Liebe und Richter, wenn wir unseren Kindern einen so ausgewogenen Gott beibringen, dann säen wir schon die Dornenhecke in ihre Seelen hinein. Gott ist nicht ausgewogen. Sondern Liebe durch und durch. Gott wohnt in den Dornen, ja, im Alltag, im Arbeitstag, aber er ist nicht selbst wie Dornen. Sondern er ist Feuer. Diesen Gott, glühend leidenschaftlich, den müssen wir unseren Kindern beibringen.
Mose zog die Schuhe von den Füßen, verhüllte sein Gesicht, gab also die Kontrolle ab. Er blieb stehen und hörte zu. Und das, weil Gott zu ihm gekommen war. Indem Mose sich so verhielt, war er ein Adventsmensch.
Für unseren Advent möchte ich einige Anstöße zum Nachdenken mitgeben:
„Der heilige Gott – Feuer oder Dornen?“
Liebe Gemeinde,
wenn am helllichten Vormittag mitten in der Woche das Parkhaus von Ahrens völlig belegt ist, dann muss es da wohl etwas umsonst geben. Oder es ist Advent. Keine Zeit im Jahr ist so unruhig auf den Straßen und in keiner Jahreszeit freuen wir uns mehr an der Ruhe. Widersprüchlich, aber so ist es.
Christen wissen, dass Adventszeit mehr ist als nur behaglich bei Punsch und Kerze zu sitzen. Wir öffnen uns dafür, dass Gott kommt. Wir stellen uns darauf ein, dass Gott uns begegnen möchte. Das kann Gott mitten in der Unruhe – zum Glück. Und dann berührt er uns viel packender, als es Kaminfeuer und Zimtduft können.
Gott ist seinen Leuten immer schon im fahrigen Alltag begegnet. Heute hören wir einen biblischen Bericht davon, Es ist keine typische Adventsgeschichte aus der Bibel – aber andererseits doch, denn Gott kam an, mitten im Leben eines Mannes. Hören wir auf 2.Mose 3,1-10.
1 Mose weidete die Schafe und Ziegen seines Schwiegervaters Jitro, des Priesters von Midian. Eines Tages trieb er das Vieh über die Steppe hinaus und kam zum Gottesberg Horeb. 2 Dort erschien ihm der Engel des Herrn in einer Flamme, die aus einem Dornbusch emporschlug. Er schaute hin: Da brannte der Dornbusch und verbrannte doch nicht. 3 Mose sagte: Ich will dorthin gehen und mir die außergewöhnliche Erscheinung ansehen. Warum verbrennt denn der Dornbusch nicht?
4 Als der Herr sah, dass Mose näher kam, um sich das anzusehen, rief Gott ihm aus dem Dornbusch zu: Mose, Mose! Er antwortete: Hier bin ich. 5 Der Herr sagte: Komm nicht näher heran! Leg deine Schuhe ab; denn der Ort, wo du stehst, ist heiliger Boden. 6 Dann fuhr er fort: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Da verhüllte Mose sein Gesicht; denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen.
7 Der Herr sprach: Ich habe das Elend meines Volkes in Ägypten gesehen und ihre laute Klage über ihre Antreiber habe ich gehört. Ich kenne ihr Leid. 8 Ich bin herabgestiegen, um sie der Hand der Ägypter zu entreißen und aus jenem Land hinaufzuführen in ein schönes, weites Land, in ein Land, in dem Milch und Honig fließen, in das Gebiet der Kanaaniter, Hetiter, Amoriter, Perisiter, Hiwiter und Jebusiter. 9 Jetzt ist die laute Klage der Israeliten zu mir gedrungen und ich habe auch gesehen, wie die Ägypter sie unterdrücken. 10 Und jetzt geh! Ich sende dich zum Pharao. Führe mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten heraus! (Exodus 3)
Mose erlebt seinen Advent: Gott begegnet ihm. Gott tut das an einem gewöhnlichen Arbeitstag. Mose ist gut drauf. Er hat einen überschaubaren, nicht zu anstrengenden Job – Schaf- und Ziegenhirte –, und er macht den gut. „Eines Tages trieb er das Vieh über die Steppe hinaus.“ Mose geht weiter als bisher. Er will wohl neue Weideplätze erschließen. Er sorgt vor, er hat dazu die Energie. Mose ist gut drauf an diesem Arbeitstag.
Plötzlich entdeckt er etwas ganz Unfassbares: Eine Erscheinung, wie sie noch kein Mensch vorher gesehen hat. Ein Dornbusch brennt. Klar, Dornenhecken liefern immer schon das Brennmaterial. Es brennt nicht lange, sondern schnell und prasselnd, aber wenn man nichts anderes hat, kocht man auch mal auf Dornenfeuer schnell eine Suppe ab. Bloß – dieser trockene Dornbusch verbrennt nicht. Lange nicht. Überhaupt nicht.
Mose lässt sich nicht aus der Fassung bringen. „Ich will hingehen und mir diese außerordentliche Sache ansehen!“ Mose ist neugierig, er hat keine Angst, er fühlt sich fit. „Ich will hingehen“ – „ich will“. Ein Mann auf der Höhe seiner Kraft.
Und jetzt begegnet ihm Gott. Der heilige Gott. Jetzt ist Mose total herausgerissen aus seinem Arbeitstag und auch mit seiner eigenen Stärke ist es vorbei. Mose hört, dass es heiliger Boden ist, dass er, Mose, die Schuhe ablegen muss. Mose verhüllt sein Gesicht, weil er sofort kapiert hat: Das ist eine heilige Begegnung. Ich kann hier nicht einfach auftreten, wie ich es gewöhnt bin. Ich stehe – unglaublich! – dem heiligen Gott gegenüber.
Heiliger Gott und normaler Alltag – das passt nicht zusammen. Das muss sich gegenseitig abstoßen. Was machst du, wenn dir mitten in deiner Arbeit Gott einfällt? Lässt du alles stehen und liegen? Oder denkst du schnell an was anderes? Fühlst du sich ertappt dabei, dass du gerade so was Gewöhnliches machst und dich gar nicht heilig fühlst?
Was hat Mose eigentlich gesehen, als er vor dem Dornbusch stand? In einer bayrischen Kirche gibt es dieses Deckengemälde hier: Mose kniet dem Busch gegenüber. Er hat sich niedergeworfen vor Gott. Warum? Weil er Dornen sah oder weil er das Feuer sah? Beides kann abstoßen. Beides könnte ein Zeichen sein für den heiligen Gott. Wir können Gott sehen als den, der scharf ist wie Dornen. Oder aber als den, der glüht wie Feuer. Zwei Möglichkeiten gibt es. Der Heilige Gott – ist er für dich der Dornbusch, vor dem du zurückweichst? Oder das Feuer, vor dem du dich beugst?
Wir wollen beide Möglichkeiten einmal anschauen. Was bedeuten die Dornen? Für Hebräer war eine Dornenhecke ein klarer Fall. Sie ist stachelig, abweisend, man kann sie sehr gut als Abwehrzaun fürs Feld benutzen. Eine Dornenhecke trägt keine Früchte, man kann von ihr nichts ernten. Sie ist ziemlich wertlos. Wenigstens brennt sie gut – man kann Feuer damit machen. In der Bibel sind Dornen auch manchmal ein Gleichnis für etwas ganz Nichtiges. Wenn man jemanden verspotten wollte, verglich man ihn mit einem Dornstrauch. „Du bist in unserem schönen Garten nun mal der Dornstrauch!“ So also empfanden die Hebräer den Dornbusch: wertlos und widerständig.
Wenn Glaubende an den Heiligen Gott denken, dann besteht immer diese Versuchung: den heiligen Gott zu sehen wie einen Dornbusch. Dort hat er sich doch gezeigt! Warum im Dornbusch? Wertlos ist er nicht, das verbinden wir nicht mit Gott. Dann also widerständig. Der Heilige Gott ist einer, dem man nicht zu nahe kommen kann. Er könnte uns sonst verletzen. Dornenheiligkeit – so könnte man Gottes Heiligkeit sehen. Und würde das nicht auch der biblischen Lehre entsprechen? Der unfassbare Gott, man darf nicht mit ihm spielen, man darf ihn nicht alltäglich machen, er muss etwas Besonderes bleiben! Er verlangt Respekt. Er kann uns ja auch strafen! Das ist sein Recht. Dornenheiligkeit.
Eine solche Sicht auf den heiligen Gott ist unter Christen weit verbreitet. Und daraus folgt ein entsprechendes Leben. Wer Gott als widrig, widerständig sieht, der geht auch entsprechend mit ihm um. (Oder besser: Der geht nicht mit ihm um – der umgeht ihn!) Ich möchte einige Merkmale des Lebens zeigen, das von Dornenheiligkeit bestimmt ist:
Abstand. Ich halte mich in einiger Entfernung von Gott. Das wirkt sich aus, z. B. darauf, wie ich bete. Ich bete manches Gebet zu Gott, aber mein Herz öffne ich ihm nicht. Mein Herz ist ja verletzbar. Wer weiß, wie der heilige Gott das findet, was mich wirklich bewegt? Ich zeige es ihm lieber nicht. Ich bete lieber unverfängliche Gebete. Abstand. Wenn ich mir mal was wirklich Gutes tun will, dann sorge ich für mich. Gott hat damit nichts zu tun. Ich weiß schon, wie ich mich belohnen kann. Gott sage ich Dank, ja, aber entspannen muss ich für mich selbst. Wenn Gott der Heilige ist, kann ich doch vor ihm nicht entspannen! Also Abstand.
Ich höre ihm auch lieber nicht richtig zu. Was soll schon ein heiliger Gott anderes sagen als Gebote für mein Leben? Wer weiß, was er alles von mir will? Ich setze mich seinen Worten lieber nicht wirklich aus. Ich weiß eh schon, was los ist: Ich genüge nicht vor ihm, ich muss mich bessern. So was kann ich aber nicht ständig hören. Das macht einen doch krank. Also lieber nicht ihm stillhalten und auf ihn hören. – Wenn ich so lebe, laufe ich allerdings in eine böse Falle. Ich habe ja nicht echt auf Gott gehört. Also geistern die falschen Botschaften in meinem Kopf herum. Ich halte mich für einen, der nicht gut angesehen ist bei Gott. Weil das aber kaum zum Aushalten ist, tue ich so, als wäre doch noch ein anständiger Kern in mir. So schlimm kann es ja wohl nicht sein mit mir? Nur eben so ungenügend, dass ich nicht nahe an Gott herankommen darf – meine ich. Dornenheiligkeit Gottes sehe ich ja. Und höre nicht die Stimme Gottes, der mir sagt: „Ich liebe dich unendlich!“ Weil ich mich nicht traue, Gott zuzuhören, verpasse ich Gottes leise Stimme und bin den eigenen frommen Gedanken in mir ausgeliefert. Warum nur habe ich ihm denn nicht zugehört? Weil ich ihn sehe als heiligen Gott wie mit Dornen umhüllt.
Und noch eine Haltung kommt aus der Dornenheiligkeit: Ich reserviere für diesen Gott einen heiligen Bezirk in meinem Leben. Weil er eben so heilig ist, passt mein Alltag nicht zu ihm. Er verlangt Würde, Ehre, Respekt – also zirkle ich eine Zone ab, in der er das bekommt. Sonntags. Oder wenn ich mich aufraffe zum Beten. Und danach gehe ich wieder in mein eigentliches Leben, das ja – so denke ich – nicht zu Gott passt. Im Grunde zäune ich ihn ein in einen frommen Sperrbezirk. Wie soll es anders sein, wenn er heilig ist wie Dornen?
In all dem behalte ich die Kontrolle. Ich entscheide, wie nah ich Gott komme und wie nah er mir kommen darf. Ich brauche auch diese Kontrolle, um mich vor Verletzungen zu schützen. Dornen verletzen. Gottes Heiligkeit könnte mich vernichten. Also muss ich kontrollieren. Ich bin wie Mose, der gesagt hatte: „Ich will mal hingehen und mir das ansehen.“ Ich gehe, ich sehe, ich gehe dann auch wieder weg und sehe weg. Ich bestimme.
Wir alle haben sicherlich gespürt, dass Gott so nicht ist. Er ist heilig, aber nicht wie ein Dornbusch, widerständig. Sondern er ist heilig wie brennendes Feuer. Gott ist durchglüht. Heilige Leidenschaft für seine Menschen. Heilige Liebe. Immer noch ist Gott kein Mensch und nicht wie wir. Aber er verletzt nicht, wie Dornen es tun. Sondern er lodert wie Feuer – in Hingabe an uns.
Was bedeutete das Feuer für die hebräischen Menschen damals? Es war kostbar. Man lässt es nicht leichtfertig ausgehen. Man hütet es im Haus. Feuer ist in der Bildersprache der Bibel ein Zeichen für die Kraft von Gottes Wort. Gottes Wort lässt sich nicht unterdrücken, sondern bricht hervor wie Feuer. Feuer ist auch ein Bild für Gottes Gericht. Alles Faule und Tote und alles, was sich gegen Gott auflehnt, ist von Gottes Feuer bedroht. Von seinem Gericht.
Aber nun lasst uns hinsehen, was für ein Feuer Mose denn gesehen hat. Das Feuer war im wertlosen Dornbusch, aber es brach nicht aus als Steppenbrand. Mose war nicht bedroht von einer Feuersbrunst. Sondern das Feuer blieb bei sich. Das Feuer hielt sich in sich selbst zusammen. So ist der heilige Gott. Er ist kein Mensch, keineswegs, er ist heilig und er übt auch Gericht. Aber er bricht nicht tödlich hervor, sondern er zieht das Gericht in sich hinein. Weil Menschen vernichtet würden, brennt er in sich selbst und wütet nicht unter den Menschen. Gerade diesen Gott hat uns doch Jesus gezeigt. Gott führt sein Gericht durch, jawohl, aber nicht an den Menschen, die rebelliert haben, sondern Gott übt Gericht an sich selbst. Das Kreuz, die Hinrichtungsstätte von Jesus, ist der Ort, wo Gottes Gericht brennt, aber die Umgebung nicht verbrennt. Gott hält sein Feuer in sich. Deshalb darf leben, wer zu ihm kommt.
Was macht Mose, nachdem Gott so, im Feuer, zu ihm gekommen war, mitten in seinem Arbeitstag? Wie verhält er sich, als er dem heiligen Gott gegenübersteht?
Er muss sich die Schuhe ausziehen. Heiliger Boden verträgt keine Füße, die sofort weglaufen wollen, wenn es ihnen nicht mehr passt. Mose soll bleiben. Barfuß kann man schlecht rennen in der Steppe. Mose soll standhalten. Nicht mehr er hat die Kontrolle.
Mose verhüllt sein Gesicht. Bis eben war er noch eifrig und wollte nachsehen. Wollte sich ein Bild verschaffen. Wollte Informationen sammeln. Jetzt merkt er sofort: Das geht nicht mehr. Ich bestimme jetzt nicht mehr, was passiert. Gott bestimmt. Ich bin nicht der, der sich alles ansehen kann. Ich bin der, der angeblickt wird – vom heiligen Gott.
Nun fängt Gott an zu sprechen. Und Mose? Er hört zu! Das ist das beste Verhalten, wenn der Heilige Gott kommt, und zwar Gott nicht in Dornenheiligkeit, sondern in Feuerheiligkeit. Das ist dann das beste Verhalten: stehen bleiben und zuhören. Gottes Worten standhalten. Ihn ausreden lassen.
Darf man das als sündiger Mensch – vor Gott einfach stehen bleiben? Ja klar! Weil Gott im Feuer ist, kein Steppenbrand, sondern die Glut in sich behält – und weil Gott redet.
Und der ganze Staub meines Alltags? Mose kommt aus einem Arbeitstag, ist überhaupt nicht vorbereitet, hat sich nicht heiligen können, kein Festgewand anziehen können, er riecht noch nach Ziegen – dann vor Gott stehen?
Ja klar. Weil Gott zu Mose in dessen Arbeitstag kommt. Und, noch wichtiger: weil Gott selber sagt, was er will. „Ich habe das Elend meines Volkes in Ägypten gesehen und ihre laute Klage über ihre Antreiber habe ich gehört. Ich kenne ihr Leid. Ich bin herabgestiegen!“ Gott ist herabgestiegen in die Arbeitstage seiner ausgelaugten Leute. Dort lässt er sich sehen als Heiliger. So also verhalten Menschen sich, wenn der heilige Gott kommt: Nicht sie machen sich hübsch, nicht sie werfen den Alltag ab. Sondern Gott kommt ja herab in den dornigen Alltag, gerade mitsamt seinem heiligen Feuer, und deshalb halten wir ihm stand und hören ihm zu.
Noch einmal die Frage: Passt das denn zu Gottes Heiligkeit?
Nicht nur dem Mose begegnete Gott. Vielen anderen auch. Z. B. dem Propheten Ezechiël. Auch da umgab Gott sich mit Feuer – er kam in einer Flamme. Und sagte dann zu Ezechiël nicht: Lauf weg! Oder: Wirf dich in den Staub! Sondern: „Stell dich auf deine Füße, Menschensohn; ich will mit dir reden.“ (Ez 2,1) Stell dich aufrecht auf deine Füße. Und hör zu. Lauf nicht weg. Kontrolliere nicht und dosiere nicht, wie stark du dich auf mich einlässt. Sondern halte stand und hör zu und lass mich ausreden! Das erwartet Gott, wenn er in seiner Heiligkeit kommt.
Wir können uns nur dann so verhalten, wenn wir das richtige Bild vom heiligen Gott haben. Er ist nicht wie Dornen. Sondern wie Feuer. Leidenschaftliche Glut, unendlich kostbar.
Wir müssen also Gott richtig sehen. Es wäre ein falscher Dornengott, wenn wir meinen: Gott ist voller Liebe, aber auch voller Zorn. Er kann heute helfen und morgen strafen. Er ist gütig, aber auch gerecht. Diese Wörtlein: „aber auch“ sind verräterisch. Nein, weil Gott Liebe ist, durch und durch, dürfen wir da kein „Aber“ dranhängen. Und wenn wir unseren Kindern beibringen, Gott sei beides gleichermaßen, gütig und zornig, Liebe und Richter, wenn wir unseren Kindern einen so ausgewogenen Gott beibringen, dann säen wir schon die Dornenhecke in ihre Seelen hinein. Gott ist nicht ausgewogen. Sondern Liebe durch und durch. Gott wohnt in den Dornen, ja, im Alltag, im Arbeitstag, aber er ist nicht selbst wie Dornen. Sondern er ist Feuer. Diesen Gott, glühend leidenschaftlich, den müssen wir unseren Kindern beibringen.
Mose zog die Schuhe von den Füßen, verhüllte sein Gesicht, gab also die Kontrolle ab. Er blieb stehen und hörte zu. Und das, weil Gott zu ihm gekommen war. Indem Mose sich so verhielt, war er ein Adventsmensch.
Für unseren Advent möchte ich einige Anstöße zum Nachdenken mitgeben:
- Die Kontrolle über mein Leben an Gott abgeben – klingt das bedrohlich für mich? Was fürchte ich?
- Gibt es in der kommenden Woche Momente für mich, die nicht völlig durchgeplant sind, sondern wo ich bei Gott sein kann und ihm standhalten kann?
- Gott zuhören und ihn ausreden lassen: Wie könnte ich das heute oder kommende Woche probieren?
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