Montag, 28. September 2009

Erntedankpredigt: „Gute Früchte, um uns zu nähren“

Predigt über Jak 3,17-18: „Gute Früchte, um uns zu nähren“
Liebe Gemeinde,
wer unsere Gemeinde näher kennen lernt, dem wird auffallen: Wir haben bemerkenswert viele Gartenfreunde unter uns. Jetzt ist die Zeit, wo man einen Korb Obst oder Gemüse im Kofferraum herumfährt, um anderen was mitzubringen – für den eigenen Gebrauch war die Ernte zu groß. Ein wenig spüren unsere Gartenbesitzer noch ursprünglich etwas von Erntedank: Man hat wirklich ernten können, mit eigenen Händen von eigenen Bäumen oder Stauden.
Ernte: die gibt es natürlich nicht nur im Garten – und auch nicht nur auf dem Bankkonto, wenn jemand den Ertrag seiner Arbeit dort vorfindet. Ernte gibt es in vielen Lebensbereichen. Ein arabisches Sprichwort heißt: „Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt.“ Also hat jeder einen Garten, der ein Buch hat. Und jeder Lesende hat dann auch eine Ernte. Ich habe schon erzählt, dass ich im Urlaub das Buch „Die Hütte“ gelesen habe und sehr bewegt war. Das ist eine Buch-Ernte von vielen anderen in diesem Jahr.
Und noch weitere Ernten gibt es. In der Bibel wird eine lebendige Familie mit einem Garten verglichen. Die Frau ist wie ein Weinstock, die Kinder sind wie Äste eines Ölbaums. (Ps 128) Auch wer Familie hat, kann also ernten. Dabei kommt es ja nicht auf die Zahl der „Früchtchen“, der Kinder an. Sondern wir ernten Zuneigung, Treue, gegenseitige Unterstützung. Oft auch Geduld, die wir aneinander lernen mussten. Neue Ideen, die einer in die ganze Familie eingebracht hat, und nun haben alle was davon. Ja, es gibt wirklich viel zu ernten durch eine Familie.
Für die Predigt heute habe ich aus der Bibel ein Wort geerntet, das uns zeigt, welche Frucht Gott für uns bereit hat. Ich lese es aus dem Jakobusbrief, am Schluss des 3. Kapitels.

17 Die Weisheit von oben ist erstens rein, sodann friedfertig, gütig; sie lässt sich etwas sagen, ist voll Barmherzigkeit und guter Früchte, unparteiisch und frei von Heuchelei. 18 Die Frucht der Gerechtigkeit aber wird in Frieden denen gesät, die Frieden stiften. Jak 3

Zweimal schreibt Jakobus hier von Früchten: Zuerst ist die Weisheit von oben voller guter Früchte, und dann wird noch eine Frucht der Gerechtigkeit gesät. Wo Saat ist, folgt irgendwann auch die Ernte. Gott sät gute Frucht in unser Leben und freut sich auf die Ernte. Und wenn Gott sich freut, dann können wir uns immer genauso freuen.

1. Früchte, um uns zu nähren
Was für Früchte möchte Gott in unser Leben geben? Sie sind hier beschrieben. Was wir von Gott ernten können, ist „rein, sodann friedfertig, gütig; man lässt sich etwas sagen, ist voll Barmherzigkeit, unparteiisch und frei von Heuchelei.“ Es ist „Frucht der Gerechtigkeit.“ Eine reiche Ernte! Wer die einbringt, hat einen Vorrat, von dem er leben kann. Denken wir noch einmal an die Familie. Wenn einer mit dem anderen so zusammenlebt: „rein, friedfertig, gütig; man lässt sich etwas sagen, ist voll Barmherzigkeit, unparteiisch und frei von Heuchelei“ – da ist das Miteinander stark. Diese Ernte, die Jakobus beschreibt, ernährt die Familie geradezu. Ohne solche Früchte verhungert und verdorrt eine Gemeinschaft.
Das gilt nicht nur für Menschen, die in einer Familie leben. Es gilt auch für Singles, Witwer, Witwen: Wir leben von solcher Zuwendung. Unsere Seele braucht diese Nahrung. Es macht unser Herz satt, wenn wir spüren: Ich werde respektiert, man begegnet mir höflich, man traut mir erst einmal das Gute zu. Davon nährt sich Herz und Seele. Und wir erleben so etwas ja auch. Vorhin im Gottesdienst haben wir zusammengetragen, wo wir Liebe, Freude, Frieden, Geduld usw. empfangen haben (nach Gal 5,22). Für diese Ernte sind wir denen dankbar, die so mit uns umgegangen sind. Und wir sind zugleich Gott dankbar, der Menschen so prägt, dass die das können: voller Liebe, Freude, Friede, Geduld mit uns umgehen. Natürlich gibt es auch das andere – Umbarmherzigkeit und das alles. Aber so wie wir nun einmal sind, klebt unser Blick oft am Schlechten und das Gute vergessen wir schnell. Deshalb dürfen wir an Erntedank auch mal einseitig sein und dankbar werden für die gute Ernte in unserem Leben.
Wenn Gott Menschen so prägt, dass sie das praktizieren können, dann kommen wir also auch Gottes Absicht auf die Spur. Was hat Gott vor? Er will uns nähren mit diesen Gaben. Gott will uns satt machen. Er will, dass wir voll versorgt sind. Deshalb macht er unser Leben zu einem Garten voller Früchte.
Gott will dich als Fruchtgarten. Nicht als Blumengarten. Warum? Blumengärten sind doch auch wunderschön! Unsere Seele wäre arm, wenn es keine Blumen gäbe. Im diesjährigen Sommer wurde in Cölbe in der Heinrich-Heine-Straße eine Sommerwiese ausgesät und es war eine atemberaubende Pracht, das anzuschauen. Aber Blumen kann man nicht essen. Blumen erfreuen die Seele, solange sie blühen, aber Blumen machen nicht satt. Deshalb will Gott dich nicht als Blumengarten, sondern als Fruchtgarten. Von uns darf etwas ausgehen – etwas, das andere nicht nur kurz erfreut, sondern lange sättigt. Früchte voller Vitamine, die die Abwehrkräfte stärken; saftige Früchte, die den Durst nach Liebe löschen. Nämlich „rein sein, friedfertig, gütig; sich etwas sagen lassen, voll Barmherzigkeit sein, unparteiisch und frei von Heuchelei“ – das macht satt. Das ernährt dich, wenn du so lebst, und die Leute um dich, die dich so erleben. Wenn die dann Gott für das danken, was sie genährt hat – wenn die Gott danken für Liebe, Freude, Friede, Geduld, die sie empfangen haben, dann denken sie dabei auch an dich, weil Gott diese nahrhaften Früchte ja auch in deinem Leben säen will. Wie siehst du dich? Trägst du Blüten oder Früchte? – – – –

Unser Leben bringt einen reichen Ertrag, wenn wir gütig und freundlich und gerecht sind. Es bringt Ertrag für uns und Ertrag für andere. So zu leben ist das Klügste, was wir erreichen können. Es ist noch mehr als klug: es ist weise. Wer so leben will, ist weise. Denn alle diese Früchte gehen aus von der „Weisheit von oben“. Die Weisheit von oben ist erstens rein, sodann friedfertig, gütig; sie lässt sich etwas sagen, ist voll Barmherzigkeit und guter Früchte. Es ist weise, ein Fruchtgarten zu sein, der andere nährt. Wie kommen denn nun solche Früchte in unser Leben? Müssen wir uns Mühe geben? Uns selbst erziehen? Güte trainieren? Jakobus gibt uns eine klare Antwort.

2. Die Früchte werden von Gott gesät!
Nicht wir bemühen uns, sondern Gott sät diese Früchte. Der Fruchtgarten bepflanzt sich nicht selbst und gräbt sich nicht selbst um, sondern das macht der Gärtner. In den Zeilen unseres Bibelwortes kommt das klar zum Ausdruck:
„Die Frucht der Gerechtigkeit aber wird in Frieden gesät.“ Sie wird gesät – das ist für jüdische Ohren eine eindeutige Aussage. Man spricht als Jude den Namen Gottes nicht aus und am besten das Wort „Gott“ auch schon nicht. Also gibt es dafür Ersatzformulierungen. An Stelle des Satzes: „Gott gibt dir ein volles Maß“ sagte Jesus z. B., gut jüdisch: „Ein volles Maß wird dir gegeben werden.“ – „Selig sind die Trauernden, denn sie sollen getröstet werden“ – damit meinte Jesus und so versteht es jeder Jude: „Gott wird die Trauenden trösten“. Also auch hier im Jakobusbrief: „Die Frucht der Gerechtigkeit aber wird in Frieden gesät“, das heißt: Gott sät die Frucht. Nicht wir schaffen die Gerechtigkeit, nicht wir erziehen uns zur Güte, sondern Gott handelt.
Auch mit einem weiteren Ausdruck macht Jakobus klar, dass Gott der Handelnde ist. Er spricht von der Weisheit, „die von oben kommt.“ Gottes Weisheit kommt. Nicht wir kommen zu ihr, sie kommt zu uns, sie bewegt sich. Also keine Angst vor Forderungen, auch in dieser Predigt nicht. Ich möchte euch nicht ermahnen zu mehr Güte, Gerechtigkeit, Ehrlichkeit. Von diesem Bibelwort aus Jakobus her habe ich keinen Auftrag, mich und euch zu ermahnen. Denn Jakobus sagt: Gott sät. Die Weisheit von oben, sie kommt. Gott handelt. Gott ist der Gärtner. Wir sind der Garten. So ist es verteilt. Gott sei Dank! Und das meine ich wörtlich. Halten wir drei Sekunden inne und sagen Gott im Stillen: Gott sei Dank – du bist der Gärtner, du handelst an uns. – – – –

Gott sei Dank!
Wie macht Gott das aber? Wo sät er solche Früchte in meinem Leben? Wo kommt Gottes Weisheit?
Schauen wir uns diese Früchte noch mal genauer an. „Rein sein, friedfertig, gütig; sich etwas sagen lassen, voll Barmherzigkeit sein, unparteiisch und frei von Heuchelei“, „Frucht der Gerechtigkeit“ bringen: Gibt es dafür ein Bild? Gibt es Erlebnisse, wo wir das erfahren? All das sogar auf einmal – kann es so was geben?
Ja, allerdings. Das beste Bild für so ein Leben ist das Leben von Jesus Christus. Er war rein – frei von Ehrgeiz, Lüge und Macht. Er war friedfertig. Gütig zu denen, die bei anderen abgeschrieben waren. Er ließ sich etwas sagen. Zuerst von seinem Vater, dem er vertrauensvoll gehorsam war. Aber auch von Menschen. Von der Frau z. B., die ihn um Hilfe für ihre belastete Tochter bat (Mt 15). Er ging auf sie ein. Er hörte auch den Pharisäern aufmerksam zu. Er ließ sich etwas sagen. Er war voller Barmherzigkeit, auch noch seinen Schülern gegenüber, als sie nichts kapierten, auch noch Petrus gegenüber, als der ihn verleugnete. Jesus war unparteiisch. Hat sich von keinem äußeren Eindruck blenden lassen, hat sich von keiner nutzbringenden Beziehung bestechen lassen. Jesus war gerecht, in sich selber und zu anderen, und er macht die, die ihm vertrauen, gerecht. Jesus war schließlich weise – ganz tief weise. Jesus war das alles, sage ich, und gleichzeitig ist er immer noch genau so, denn er lebt.
Jesus Christus ist gekommen, in die Welt und in mein und dein Leben. Wenn Jakobus schreibt: „die Weisheit, die von oben kommt“ und die Früchte der Weisheit dann ausmalt, dann denken wir am besten an Jesus: der zu uns kommt, dessen Leben genau diese Früchte trug und der sich in unserem Leben ausformen will. Wenn das geschieht – wenn Jesus sich ausformt, dann entstehen natürlich auch alle Früchte. Aber wiederum sehen wir, dass nicht wir uns bemühen müssen um ein gutes Verhalten. Das bringt Jesus mit. Wir müssen vielmehr dies tun: Jesus zulassen – es begrüßen, dass er sich in uns ausformt. Dann nähren uns seine Früchte und durch uns nähren sie andere Menschen. Dann gibt es eine reiche Ernte an Güte, Gerechtigkeit, Barmherzigkeit. Wenn Jesus kommt und wir das begrüßen.

Ein ganz ganz altes Gebet der Christenheit besteht aus diesem einen Wort: „Maranata.“ – „Unser Herr, komm!“ Vielleicht halten wir wiederum mal drei Sekunden inne und beten im Stillen dieses Gebet: Maranata, komm, Herr Jesus, mitsamt deinen Früchten; komm, Herr Jesus und forme dich in mir aus. Maranata. – – – –

Die Früchte werden von Gott gesät. Jesus kommt. Was ist dann noch unser Anteil bei der Sache?

3. Wie empfangen wir die Ernte?
Die Weisheit Gottes ist die, die von oben kommt. Was ist, wenn jemand zu uns kommt? Ganz einfach, dann machen wir ihm auf. Sonst kommt er zwar, muss aber draußen bleiben.
Wenn die Weisheit Gottes von oben zu uns kommt, wenn Jesus kommt – dann machen wir ihn auf! Dann öffnen wir uns für ihn. Sonst bleiben die Früchte draußen und werden überreif und verfaulen schließlich wie ein Kürbis, den keiner wollte.
Was tun wir genau, wenn wir uns für Gottes Weisheit öffnen? Wie geht das vor sich? Wieder bekommen wir von Jakobus genaue Auskunft. Über die Weisheit schreibt er am Anfang seines Briefes:

Wenn es aber jemand unter euch an Weisheit mangelt, so erbitte er sie von Gott, der allen gern und ohne Vorwurf gibt, so wird sie ihm gegeben werden. Jak 1,5

Gott gibt die Weisheit dem, der sie braucht und der ihn bittet. Dann „wird sie ihm gegeben werden“ – jawohl, das haben wir ja schon gelernt, dieser Ausdruck bedeutet: Gott wird sie ihm geben.
Also wird die Frucht, ausgesät in unserem Leben, wenn wir Gott darum bitten. Es ist eine Frage des Gebets. Solch ein Gebet ist in sich allerdings eine entscheidende und wirkungsvolle Tat. Beten wir also – nicht so matt wie z. B. so: „Gott, wenn du sowieso willst, dass ich voller Güte bin und wenn du das sowieso bewirkst, dann mach es meinetwegen auch in meinem Leben.“ Das wäre ein mattes Gebet. Besser wäre es so: „Gott, ich will (!), dass Güte und Gerechtigkeit und Barmherzigkeit in meinem Leben heranwachsen. Ich will das und ich bitte dich, dass du es in mir einpflanzt.“ Das wäre ein starkes Gebet. Solch ein Gebet wäre eine Tat.
Also: Die Weisheit von oben kommt und wem Weisheit mangelt, der bitte Gott. So sagt es Jakobus uns. Dann sät Gott die Frucht aus, die Frucht der Gerechtigkeit.

Nur eine einzige Einschränkung macht Gott, und das ist dann doch unser Anteil, auch wenn Gott alles gibt. In einem Punkt kommt es wohl auf uns an. Wir lesen bei Jakobus: „Die Frucht der Gerechtigkeit aber wird in Frieden denen gesät, die Frieden stiften.“ Denen, die Frieden stiften. Das ist die Vorbereitung, die unser Garten braucht. Die Erde muss wenigstens so weit aufgelockert sein, dass sie das Saatgut empfangen kann. Ohne Bild gesagt: Wir müssen wenigstens so weit auf dem Weg des Friedens sein, dass wir empfänglich sind für Gottes Frucht. Also wir beginnen, Frieden zu stiften, und dann empfangen wir alles andere von Gott: dass wir „rein sind, friedfertig, gütig; uns etwas sagen lassen, voll Barmherzigkeit sind, unparteiisch und frei von Heuchelei“. Dafür sind wir aufnahmefähig, wenn wir beginnen, Frieden zu stiften.
Auf das Beginnen kommt es an. Nicht dass der Friede schon komplett da sein muss. Frieden stiften heißt ja: Er ist noch nicht völlig ausgebreitet. Es gibt noch Unfrieden, Zwist, Distanzen. Das können wir gar nicht aus eigener Kraft überwinden, da brauchen wir Gottes Weisheit von oben. Aber den ersten Schritt, den sollten wir schon gegangen sein. Jakobus sagt uns nicht: Die Frucht wird gesät für die, die Frieden gestiftet haben. Nein, wir müssen nicht schon den Erfolg vorweisen. Aber angefangen müssen wir haben. „Die Frucht der Gerechtigkeit aber wird in Frieden denen gesät, die Frieden stiften.“

Wie geht Frieden stiften? Wenn man das so einfach sagen könnte! Aber so unterschiedlich die Situationen sind – jeder Unfriede und Zwist ist anders –, eins ist doch gleich: Wenn einer den ersten Schritt macht, kommt es in Bewegung. Friedensstifter sind die, die nicht auf den anderen warten. Friedenstifter sind die, die den ersten Schritt machen. Und dieser erste Schritt löst eine Menge aus. Er gibt nämlich den Anstoß, dass Gott die Frucht der Gerechtigkeit sät. „Rein sein, friedfertig, gütig; sich etwas sagen lassen, voll Barmherzigkeit sein, unparteiisch und frei von Heuchelei.“ Das kommt von Gott, das baut sich auf, das wächst heran, wenn Friedenstifter mutig sind. Friedensstifter sind Auslöser.

Ich komme zum Schluss. Wir feiern Erntedank und freuen uns über die nahrhaften Früchte, die Gott in unserem Leben sät. Es sind Früchte, die uns und andere satt machen. Früchte, keine Blüten. Diese Früchte kommen von Gott. Er ist der Handelnde. Wir sind Empfänger. An ihm liegt es. Was uns betrifft, da kommt es nur auf zwei Auslöser an: dass wir Frieden stiften gehen. Und dass wir beten. Gott um Weisheit bitten. Dann gibt er, ohne jeden Vorwurf.
Beten um gute Frucht. Z. B. so wie Paul Gerhardt es gedichtet hat:
„Mach in mir deinem Geiste Raum, dass ich dir werd ein guter Baum, und lass mich in dir bleiben, damit der Sommer deiner Gnad in meinem Leben früh und spät möge Glaubensfrüchte treiben.“
Amen.