Dienstag, 29. Dezember 2015

Das erste Wort entscheidet

Predigt über Lk 1,13.30; 2,10; Mt 1,20:

„Das erste Wort entscheidet“


Liebe Gemeinde,

ein paarmal im Jahr passiert im Hause Wendel ein seltsames Ritual. Die Männer der Familie sausen mit irrem Blick durch das Haus, vor allem durch die Küche, fegen, wischen und spülen. Alles mit Blick auf die Uhr, und gegenseitig schicken sie sich hin und her und erteilen wild entschlossene Kommandos.

Was geht da vor? Ein paarmal im Jahr ist Kerstin am Wochenende unterwegs und trifft nachmittags oder abends wieder ein. Und dabei hat es sich im Laufe der Zeit bewährt, dass die Männer des Hauses bis dahin gewisse Gebrauchsspuren in der Küche und anderswo beseitigen. Das Ziel ist, ein möglichst entspanntes Wiedersehen zu gewährleisten. Dass also der Frau das Hauses das Entsetzen nicht schon auf der Schwelle im Gesicht geschrieben steht, wenn sie die rauchenden Trümmer von 24 Stunden Männerhaushalt entdeckt.

Zugegeben: In früheren Jahren hat das immer mal wieder Reibereien gegeben. Kerstin fragte sich, warum denn niemand aufgeräumt hätte, und ich war aus tiefstem Gewissen der Meinung, ich hätte alles tadellos hergerichtet – und verstand dann nicht, dass das erste Wort ein Ausdruck des Erstaunens oder Missfallens war. Mittlerweile also haben wir dazu gelernt: Wir Männer versuchen, die Küche mit Frauenaugen zu betrachten, und Kerstin versucht, über die letzten 1,5 % hinwegzusehen und nicht gleich irgendwelche Defizite anzusprechen. (Kerstin meint, es seien 10 %. Damit ist das Problem präzise beschrieben.)

Wenn man sich wieder trifft, ist das erste Wort entscheidend. Ob es ein Wort der Zuneigung ist oder nicht. Sicher kennt ihr ähnliche Situationen, wo das erste Wort über den weiteren Verlauf entscheidet. Rückkehr der Gattin vom Friseurbesuch zum Beispiel. Oder Rückkehr des Gatten vom Stadion nach der Heimniederlage. Man tut gut daran, dann erst einmal etwas Positives zu sagen. Und danach noch etwas Positives.

Was war eigentlich das erste Wort von Gott, als er auf die Erde kommen wollte? Was hat Gott zuallererst gesagt? Ich meine damit die Zeit, als er seinen Sohn als Messias schickte. Das war damals eine Zeit gewesen, wo viele Leute im Volk Gottes meinten, Gott hätte schon lange nichts mehr gesagt. Die letzte klare Anrede an die Menschen war schon Hunderte von Jahren her. Propheten gab es keine mehr. Maleachi, der letzte von ihnen, hat ungefähr 400 v.Chr. gelebt. Und noch nachdem die Evangelien geschrieben wurden, also die Jesusbücher der Bibel, hat ein jüdischer Theologe, der nicht an Jesus glaubte, gesagt:

„Jetzt aber sind die Frommen hingegangen und die Propheten sind entschlafen; auch wir sind jetzt aus unserm Lande ausgewandert;
Zion (die Heilige Stadt) ist uns entrissen; nichts haben wir jetzt mehr, als den Allmächtigen und sein Gesetz“ (syrBar 85,3). Das war die Stimmung damals, so hat man es empfunden: Gott redet nicht mehr direkt. Wir haben ihn noch, unseren Gott, und sein Gesetz. Man kann beten und sein Wort studieren, den Sabbat und die Feste feiern. Lange Zeit konnte man auch noch im Tempel Gottesdienst feiern. Aber dass Gott direkt redet, das war schon viele Jahrhunderte her.

Doch dann, 400 Jahre nach dem letzten Propheten, 400 Jahre nach der Zeit, die man als Schweigen Gottes empfunden hat – da meldet sich Gott wieder. Er greift wieder in die Welt ein. Er schickt seinen Sohn, den Messias, und kommt in ihm selbst zur Welt. Und das tut Gott natürlich nicht stumm, sondern er redet. Er schickt Boten zur Vorbereitung. Und dabei ist also jetzt die spannende Frage: Wenn Gott nach so langer Zeit kommt, was sagt er als erstes? Was ist sein erstes Wort? Er kommt zu den Menschen, die versucht haben, an ihn zu glauben, zu ihm zu beten, die aber auch oft gleichgültig waren oder ihre eigenen Methoden entwickelt haben, mit dem Leben zurechtzukommen. Gott kommt hinzu, sieht sich das an, macht den Mund auf – und was also ist sein erstes Wort?

„Fürchte dich nicht!“

Keine Angst. Das sagt er zuallererst. Egal wie es hier aussieht, egal was du eben noch gemacht hast: Fürchte dich nicht!

Wenn wir den zweiten Teil der Bibel aufschlagen, das Neue Testament, und die Berichte suchen, wie Jesus geboren wurde und wie das vorbereitet wurde, dann landen wir im Matthäusevangelium und im Lukasevangelium. Diese beiden Bücher enthalten die sogenannten Vorgeschichten. Und wenn wir die aufblättern und mit dem Finger die Zeilen entlanggehen, solange, bis Gott das erste Mal redet, dann finden wir diese Worte: „Fürchte dich nicht“. Es ist immer ein Engel, der das sagt. Zuerst kommt er zum Priester Zacharias, der gerade im Tempel steht und den Gottesdienst leitet. Der erschrickt sich natürlich, als da unvermutet der Engel kommt. „Fürchte dich nicht“, so redet der Engel ihn an. Danach kommt der Engel zu Maria, die noch nicht weiß, dass sie die Mutter von Jesus werden soll. „Fürchte dich nicht, Maria!“ Und schließlich sind da ja noch die Hirten draußen auf dem Feld. Die kennen wir aus der Weihnachtsgeschichte. „Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude!“

Diese drei Momente werden im Lukasevangelium berichtet. Ich mag es ja sehr, in der Bibel Spuren zu entdecken und die Worte zu erforschen. Als ich davon gehört habe, dass hier im Lukasevangelium ein bestimmtes Muster steckt, da hab ich natürlich gleich die Ohren gespitzt. Das begeistert mich, dass Gottes Wort hier so eindeutig ist, wenn man es erst einmal entdeckt hat: Gott ergreift das Wort, und es ist solch ein freundliches, behutsames Wort! Erst nach diesen drei Malen „Fürchte dich nicht“ sagt Gott dann zu anderen Leuten noch anderes. Es ist, als wollte er ganz bewusst ein Vorzeichen setzen.

Im Lukasevangelium ist das so. Aber dann bin ich neugierig geworden. Die Vorgeschichte, vor der Geburt von Jesus, steht doch auch noch im Matthäusevangelium. Wird es da ebenso sein? Oder war es doch nur eine Spezialität von Lukas? Also eine Stimme unter vielen? Nun, das erste Mal, wo Gott im Matthäusevangelium redet, passiert das wieder durch einen Engel. Der kommt zu Josef, dem Mann oder Verlobten von Maria. Und Josef hört als allererstes: „Josef, du Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen“. Bäng – da ist es wieder: Fürchte dich nicht. Die beiden Jesusbücher stimmen überein! Es gibt wirklich ein Muster Gottes. Was für eine Entdeckung. Was für ein Gott, der so anfängt zu reden!

Das ist mein erster Punkt heute:

1. Wenn Gott uns anspricht, will er uns nicht erschrecken.


Er kommt nicht und sagt: Wie sieht es denn hier aus? Und auch nicht: Hör mal, dein Gott meldet sich gerade bei dir, wie kannst du da so traurig rumsitzen – oder so abgelenkt sein?

Früher in der Geschichte Gottes, da gab es durchaus Momente, wo man sich vor Gott erschrecken konnte. Mose lief durch die Gegend und stieß auf einen brennenden Dornbusch. Gott sprach ihn an und sagte: „Zieh deine Sandalen aus, denn der Ort, auf dem du stehst, ist heiliges Land.“ Auch du Schreck! Das klingt ganz schön nach „Achtung!“ und „Aufgepasst!“ Die Eltern von Simson werden von einem Engel besucht. Sie erkennen ihn aber nicht – sie merken es erst hinterher, und dann ruft der Vater entsetzt: „Jetzt müssen wir sterben! Wir haben ja Gott gesehen!“ Schock! Der Prophet Daniel bekommt Worte von Gott gesagt und Bilder aus Gottes Welt gezeigt, und das macht ihn krank, er wird totenbleich und fällt in Ohnmacht. So reagieren Menschen, wenn Gott das Wort ergreift. Sie spüren den großen Abstand zwischen Gottes Welt und ihrer Welt. Aber wenn Gott Jesus schickt, ist es anders. Sein erstes Wort ist dann: Fürchte dich nicht!

So redet Gott auch heute noch. Ich vermute, er hat dir bisher noch keinen Engel geschickt, und vielleicht hat er das auch nicht vor. Die Art, wie er redet, ist ganz unterschiedlich. Aber seine Grundhaltung, seine tiefste Absicht, ist dieselbe: Er will dir Mut machen und dir die Angst nehmen.

Gott berührt Menschen in allen möglichen Lebenslagen. Vielleicht bist du guter Dinge und voller Hoffnung. Du hast Pläne, du denkst schon an das neue Jahr und gute Möglichkeiten liegen vor dir. So ging es ja Josef und Maria, bevor der Engel zu ihnen kam. Sie waren verlobt, sie wollten heiraten und eine Familie gründen. Sie hatten ihr Glück gefunden. Was gibt es Schöneres? Frühlingsluft, Aufbruchstimmung! In diesem Glück spricht Gott sie an und sagt: Fürchte dich nicht. Hoffnung und Glückspläne sind nichts, was Gott kritisieren würde. Er sagt nicht: Denkt lieber mal an die Ewigkeit. Nein, ihr beiden Glücklichen, fürchtet euch nicht!

Vielleicht bist du vom Leben frustriert und hast eine Hoffnung schon längst begraben. Du versuchst, den normalen Alltag durchzuhalten, ohne dass die Enttäuschung dich bitter macht – aber manchmal ist es ein Kampf, dass du eben nicht doch bitter wirst. So ging es dem Priester Zacharias. Er war alt und seine Frau auch. So sehr hätten sie sich Kinder gewünscht, doch es hat einfach nicht geklappt. Und jetzt war es zu spät. Zacharias glaubt weiter an Gott, ja. Er ist ja Priester. Aber er tut etwas für Gott, ohne dass er erlebt hätte, dass Gott in seiner großer Lebensfrage etwas für ihn tut. Zu diesem Menschen sagt Gott als Erstes: Fürchte dich nicht! Er fragt nicht: Wo ist dein Glaube? Und auch nicht: Warum klingt dein Loblied nicht fröhlicher? Sondern: Keine Angst!

Vielleicht steckst du mitten in einem ganz normalen Leben – von den Weihnachtstagen einmal abgesehen. Im Grunde läuft alles in vorgezeichneten Bahnen. Der Job von acht bis fünf, die Familie, ein- oder zweimal Urlaub im Jahr, und bis zur Rente sind es noch einige Jahre. Die Zukunft wird nichts Neues mehr bringen. So ging es den Hirten auf dem Feld draußen. Nur dass die sicher keinen Jahresurlaub hatten. Sie hatten ihren Job. Kein besonders angenehmer Job, nichts womit man auf einer Party hätte angeben können. Aber es könnte auch schlimmer sein. Sie waren gesund und konnten ihre Familien ernähren. Jeden Tag. Immer so weiter. Alles normal. Und denen sagt Gott, wenn er das Wort nach so langer Zeit ergreift: Fürchtet euch nicht! Er sagt nicht: Im Gottesdienst hab ich euch auch schon lang nicht mehr gesehen. Und deinen Job könntest du vielleicht mit etwas mehr Begeisterung machen. Sondern er sagt: Hej, Leute, auch wenn euer Leben ganz normal ist – keine Angst!

Josef und Maria, der Priester Zacharias, die Hirten – all das sind Menschen, die keinen Grund hätten, sich vor Gott zu verstecken. Denn Gott will nicht erschrecken. All das sind Leute, wo es in Ordnung wäre, wenn Gott ihnen im Alltag zusieht. Weil Gott etwas Gutes für sie will. Stell dir vor, Gott würde dir im Alltag über die Schulter sehen. Wie fühlte sich das an? Würdest du das lieber vor ihm verstecken, was du gerade tust oder denkst? Keine Sorge. Ist nicht nötig. Das Erste, was er – vielleicht nach langer Sendepause – zu dir sagen will, ist: „Fürchte dich nicht“.

Und was passiert dann? Wie geht es weiter, wenn Gott so mit uns redet?

2. Wenn Gott uns anspricht, kommt vieles durcheinander.


Das gehört nun allerdings auch zum Bild. Die ganze Wahrheit lautet: Gott schüttelt unser Leben durcheinander. Er behält zwar die Kontrolle. Deshalb ist sein Satz „Fürchte dich nicht!“ nach wie vor richtig. Kein Grund zur Angst. Aber trotzdem: Das Leben kann manchmal aus den Fugen geraten.

Josef. Er muss erfahren, dass seine Braut schwanger ist. Und nicht von ihm. Eine Katastrophe für seine Lebenspläne. Er weiß noch nicht, wer dahinter steckt, aber alles, was er sich unter Glück vorstellte, zerfällt in Scherben. Warum? Weil Gott eingegriffen hat, weil Gott seine Pläne ausführt. Na klasse!

Maria. Sie bekommt eine unglaublich große Zukunftsperspektive. Der Retter der Welt, der Messias wird geboren – und sie soll die Mutter sein! Wenn Gott einen Neuanfang mit der Welt macht, ist sie der Dreh- und Angelpunkt. Was für eine Berufung! Aber natürlich auch eine totale Überforderung – für eine junge Frau unter zwanzig. Ihr Leben läuft gerade völlig aus dem Ruder. Ihr Ruf ist ruiniert.

Der Priester Zacharias – bei dem ist es nicht so schlimm. Er leitet einen Gottesdienst und da kommt ein Engel. Der geplante fromme Ablauf wird gestört und sein ausgedrucktes Gottesdienstprogramm kann er wegschmeißen. Naja, es gibt Schlimmeres. Aber in seinem Leben hat er jetzt eine große Herausforderung. Er hatte die Hoffnung auf ein Kind begraben und muss diese Hoffnung jetzt wieder ausgraben. Er muss noch einmal neu versuchen, etwas von Gott zu erwarten. Wisst ihr, Enttäuschung tut zwar weh – aber manchmal ist es weniger schmerzhaft, sich mit der Enttäuschung einzurichten. Manchmal hat man das Leben leichter im Griff, wenn die Hoffnung der Vergangenheit wirklich tot ist. Dann kann sie keine Unruhe machen. Aber eine Enttäuschung noch mal hervorholen und neue Hoffnung schöpfen – das kostet Kraft. Das reißt aus den ausgetretenen Pfaden heraus. Da hat man seine Seelenlage nicht mehr immer unter Kontrolle. Die Seele fährt Achterbahn.

Und die Hirten. Bei denen ist es besonders komisch. Sie hatten ja wohl gar keine große Erwartung an die Zukunft. Dann sehen sie als erste den neugeborenen Messias – den Sohn Gottes, den Retter der Welt. Sie begreifen: Das ist der Beginn einer neuen Zeitrechnung. Und sie sind dabei. Aber dann? Gehen sie in den Job zurück und ein paar Jahrzehnte lang passiert gar nichts. Was war das denn jetzt? Sie haben Gott erlebt, aber sie haben absolut nichts zum Vorzeigen. Keinen Beweis, nicht einmal für sich selbst, im Rückblick. In ihrem Leben bleibt für viele Jahre ein großes Fragezeichen. Gerade weil Gott eingegriffen hat. Ohne ihm wäre wenigstens alles normal geblieben.

Wenn Gott uns anspricht, kommt vieles durcheinander. Das ist oft so. Wir haben dann nicht mehr alles im Griff. Wir schreiben das Drehbuch nicht mehr selbst. Das klingt nach einem Risiko. Ja, wenn Gott sagt: Keine Angst, fürchte dich nicht – dann ist das zwar ein Satz, der tiefen Frieden und tiefe Heilung mit sich bringt. Aber das Leben wird dadurch nicht nett und einfach. Fast sollte man meinen, wenn Gott „Fürchte dich nicht!“ sagt, dann müsste man gewarnt sein: O-o, was kommt den jetzt wohl?

Aber was wäre die Alternative? Dass Gott besser nichts sagt? Wir könnten natürlich unser Drehbuch selbst weiter schreiben. Wir würden dann alles unter Kontrolle behalten. Es wäre berechenbarer. Wir könnten uns Gott vom Leib halten. Er würde dann nichts durcheinanderschütteln und nicht zu uns „Fürchte dich nicht“ sagen. Wir hätten vielleicht etwas mehr Planungssicherheit.

Aber hätten wir dann weniger Angst?

Nein. Wir wären ja dennoch nicht angstfrei. Unsere eigene Kontrolle kann die Angst nicht vertreiben.

3. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Gottes Mut, aber auch Gottes Drehbuch – oder unser eigenes Drehbuch, aber ohne Gottes Mut.


Wenn Gott nicht das Leben von Josef und Maria durcheinandergerüttelt hätte, nicht das Leben von Zacharias und das der Hirten, was wäre dann gewesen? Dann hätten sie alle ihre Pläne weiterverfolgen können. Den Plan vom Eheglück, von der berechenbaren Zukunft, den Plan von einem Leben, wo die Enttäuschung nicht mehr so weh tut, weil man sie weggeschlossen hat. Sie hätten ein Leben gehabt, bei dem sie ungefähr wüssten, woran sie sind.

Bloß – ihnen hätte eben auch Gottes Anrede gefehlt. Das Wort „Fürchte dich nicht!“ Und die Angst hätte jederzeit kommen können. Wir haben es letzten Sonntag in der Predigt gehört: Du kannst erwachsen werden, du kannst im Leben schon viel erreicht haben – aber Angst wird es immer geben. Das hat man mit 56 nicht hinter sich, und mit 76 oder 86 wahrscheinlich auch nicht. In der Bibel heißt es an einer Stelle von Menschen ohne Gott: „Sie fürchten sich da, wo nichts zu fürchten ist“ (Psalm 53,6). Das ist der Zustand, wenn man sein eigenes Drehbuch schreibt. Gottes Angebot dagegen sieht so aus für einen, der ihm vertraut:

Schlimme Nachricht macht ihm keine Angst, mit ruhigem Herzen vertraut er dem Herrn. Verankert ist sein Herz, er fürchtet sich nicht.
Ps 112,7-8a

Wir können nur das eine oder das andere haben: Ein Leben, in das Gott eingreift. In dem er unserer Pläne manchmal auf dem Kopf stellt. Und in das er hineinruft: Fürchte dich nicht! Das ist ein Machtwort. Oder aber wir haben ein Leben, das wir planen. Das wir einigermaßen im Griff haben. Aber letztlich dann doch nicht im Griff. Jederzeit könnte uns etwas aufschrecken, ob es nun berechtigt ist oder nicht. Manche Angst ist ja irrational, aber dennoch sehr wirksam.

Dann hilft nur ein Machtwort. Habt keine Angst – wir brauchen diese Anrede Gottes, wenn wir wirklich leben wollen. Ich glaube, das Leben mit ihm ist besser, auch wenn ich nicht immer weiß, wohin es führt.

Denn auch wenn ich nicht weiß, wohin es führt, auch wenn Gott selbst es ist, der mein Leben durcheinanderschüttelt – ich kann ihm vertrauen. Ich kann darauf bauen, dass ich wirklich keine Angst haben muss, wenn er zu mir sagt: Fürchte dich nicht .

Gott hat nämlich gezeigt, wie vertrauenswürdig er ist. Denn was hat er denn gemacht, nachdem er zu Josef und Maria und Zacharias und den Hirten gesagt hat, sie sollen sich nicht fürchten? Und nachdem er ihr Leben durcheinandergerüttelt hat? Was war seine Aktion?

Er kam als Baby. Er kam absolut schutzlos. Er kam völlig ohne Gewalt. Machtlos. Und das ist sein Wesen.

4. Weil Gott schutzlos kommt, deshalb ist er glaubwürdig.


Gott ist genauso, wie Jesus ist. Jesus hat nie jemanden gezwungen. Jesus hat nie jemanden überwältigt – außer den Teufel und seine Dämonen. Aber nie einen Menschen. Jesus hat immer die Freiheit gelassen, dass man aussteigen kann. Jesus ist also keiner, vor dem man sich ängstlich in Acht nehmen müsste. Weil Jesus so ist, weil also auch Gott so ist: gewaltlos wie ein Neugeborenes – deshalb ist es glaubwürdig, wenn er sagt: „Fürchte dich nicht.“

Der Charakter von Jesus wird in der Bibel so beschrieben:

Er macht kein Aufheben und schreit nicht herum. Auf der Straße hört man seine Stimme nicht. Das geknickte Rohr bricht er nicht durch, den glimmenden Docht löscht er nicht aus. Ja, er bringt wirklich das Recht. Jes 42,2-3

Und Jesus sagt über sich selbst:

Unterstellt euch mir und lernt von mir! Denn ich bin gütig und von Herzen zum Dienen bereit. Dann kommt Ruhe in euer Leben. Denn mein Joch trägt sich gut und meine Last ist leicht. Mt 11,28-29

Wie Jesus sich beschreibt, klingt so, als wollte er mit anderen Worten sagen: „Fürchte dich nicht.“ Das hat Jesus gesagt, als er um die 30 war. Mitten im Leben. Und als Jesus auf die Erde kam, war das ja mitten in der Weltgeschichte. „Er ist das Zentrum der Geschichte“.

Das ist also nicht nur Gottes erstes Wort, als der Messias kommt. Sondern auch Gottes zentrales Wort. Jesus ist gütig, zum Dienen bereit, er macht die Last leicht. Das ist sein Wesenskern. Das ist Gottes Charakter. Gott hat sich glaubwürdig gemacht. Gott lädt dich heute ein, ihm zu vertrauen, dich ihm anzuvertrauen.

Fürchte dich nicht.


Montag, 21. Dezember 2015

Wenn alte Gebete aktuell werden


Gott hat dein Gebet erhört – wäre das nicht grandios, wenn das jemand zu uns sagen würde?

Wir haben in diesem Gottesdienst viel Zeit im Gebet verbracht – still, mit inneren Worten und auch singend. Und was jetzt? Nach dem Beten steht die Erwartung – dass Gott reagiert, irgendwie.

Wie macht Gott das?

Das kann man natürlich nicht allgemein sagen. Aber auf eine Eigenart möchte ich hinweisen, wie es zugehen kann, wenn Gott Gebete erhört. Ich habe das neulich gefunden in einer der Adventsgeschichten des Neuen Testaments. Damit meine ich all das, was vor der Geburt von Jesus passiert ist. Am Anfang des Lukasevangeliums begegnen wir einigen Menschen, die Gott an der Vorbereitung auf den Messias beteiligt hat. Einer davon ist der Priester Zacharias. Der bekam genau diese Worte während eines Gottesdienstes gesagt:

Gott hat dein Gebet erhört.

Wie kam es zu diesem Satz? Zacharias hat ganz nach den Vorschriften seine Arbeit im Tempel in Jerusalem verrichtet. Mitten in den heiligen Abläufen, die er erlernt hat, kam ein Engel zu ihm, wie aus dem Nichts, und der sagte: „Fürchte dich nicht, Zacharias! Gott hat dein Gebet erhört. Deine Frau Elisabet wird dir einen Sohn schenken, und den sollst du Johannes nennen.“ Dieser Johannes ist dann später Johannes der Täufer.
Zacharias bekommt hier eine Engelsbotschaft, weil diese Schwangerschaft und diese Geburt etwas sehr Besonderes ist. Eigentlich war die Zeit des Kinderkriegens längst vorbei für ihn und seine Frau. Erstens war Elisabeth medizinisch gar nicht in der Lage, Kinder zu bekommen – das hatte sich im Laufe der Zeit herausgestellt. Und zweitens waren beide jetzt schon alt. Auch bei normaler Gesundheit der Frau wären eigene Kinder also kein Thema mehr. Und jetzt, nach all den Jahren, sagt Gott zu Zacharias: Dein Gebet ist erhört.

Was bedeutet das?

Was war es denn für ein Gebet gewesen? Wann hat Zacharias denn gebetet? Wahrscheinlich ja in jüngeren Jahren, als er und Elisabeth sich um Kinder bemüht haben. Das ging sicher jahrelang so. Aber irgendwann haben sie einen Schlussstrich gezogen und das Thema abgehakt – das zeigt die Antwort an den Engel: „‚Wie kann ich sicher sein, dass das wirklich geschieht?‘, fragte Zacharias. ‚Schließlich bin ich ein alter Mann und auch meine Frau ist nicht mehr jung.‘“ Mit anderen Worten: Da geht doch nichts mehr bei uns. Im Bett vielleicht schon, wer weiß, aber nicht mehr im Wochenbett.

Das Gebet, das Gott jetzt erhört hat, ist ein Jahrzehnte altes Gebet! Ein Gebet der Vergangenheit, das seine Zeit gehabt hatte und dann irgendwann eingestellt wurde und an das der Beter dann auch keine Erwartung mehr geknüpft hat.

Ein Gebet, das seine Zeit gehabt hat – beim Beter. Beim Beter Zacharias war es nicht mehr aktuell. Bei Gott allerdings schon. Bei Gott hat das Gebet seine Zeit immer noch, es ist vor ihm präsent, lange nachdem es gebetet wurde und dann schon nicht mehr gebetet wurde. Jetzt hat Gott es erhört. Zeitversetzt. Verzögert. Und diese Verzögerung war sicher eine große Belastung gewesen. Sie war quälend. Als Mensch, als Beter hält man es irgendwann nicht mehr durch, die Hoffnung hochzuhalten, die Flamme der Erwartung immer neu zu nähren. Als Mensch, als Beter setzt einem diese Spannung irgendwann so sehr zu, dass man ausgelutscht ist und das Beten und die Hoffnung sein lässt. Macht nichts. Gott hält bei sich die Spannung weiter aufrecht und erhört ein Gebet von damals. Ein Gebet, das früher laut geworden ist, aber jetzt längst schweigt.

Ihr merkt sicher, dass mein Thema nicht die Familienplanung ist und der unerfüllte Kinderwunsch. Sondern mich hat angerührt, als ich das Wort des Engels vor ein paar Wochen gelesen habe, dass Gott jetzt etwas ans Tageslicht holt, das der Beter lange schon begraben hat. Ich habe viele Gebete in meinem Leben, deren Zeit mittlerweile vorbei ist. Nach meiner Zeitrechnung. Das Leben hat neue Tatsachen geschaffen und wenn ich klug bin, stelle ich mich darauf ein. Ich lese aber jetzt in der Bibel: Bei einzelnen Gebeten kann es so sein, dass meine Zeitrechnung nicht stimmt. Gott nimmt mein Gebet ernster als ich. Gott hat nicht jedes Gebet weggeheftet und unauffindbar in der Ablage versenkt, nur weil ich das mit meinem Gebet gemacht habe. Mein altes Gebet ist bei ihm noch präsent.


Was passiert jetzt? Was erleben Zacharias und Elisabeth nun? Zacharias stellt seine Rückfrage – und der Engel bekräftigt seine Ansage: „Was ich gesagt habe, wird zur gegebenen Zeit eintreffen.“ Also – das Gebet ist erhört. Diese Tatsache liegt vor, davon kann man ausgehen. Aber das Anliegen, wofür gebetet wurde, das ist noch nicht eingetroffen. Es wird aber eintreffen – zur gegebenen Zeit. Das ist noch mal eine kleine Wartezeit, ein kleiner Spanungsbogen nach dem großen jahrzehntelangen Spannungsbogen. Auch diese Momentaufnahme gibt es also aus einem Leben: Ein Gebet ist bereits erhört, auch wenn es noch nicht eingetroffen ist. Deine Situation vielleicht?

Zur gegebenen Zeit wird es eintreffen, und jetzt kommen Elisabeth und Zacharias ins Spiel. Bei den beiden hat Gott ja keine Jungfrauengeburt geplant. Also müssen sie aus der Engelsbotschaft Konsequenzen ziehen und noch mal ein erotisches Stündchen arrangieren. Ganz alleine macht Gott es nicht. Und dann ist die gegebene Zeit da und Elisabeth ist schwanger und das erbetene Kind wird geboren werden.

Es gibt Zeiten, da kann man als Beter gar nichts anderes machen als Beten und darum kämpfen, dass die Hoffnung nicht zerbricht. Es gibt Zeiten, da hat man gebetet und den Kampf um die Hoffnung verloren. Und es gibt Zeiten, da hat Gott eine Hoffnung entfacht – und als Beter muss man dann Konsequenzen ziehen und was machen.

Wir haben in diesen Gottesdienst viel gebetet und jeder von uns hat in seinem Leben schon viel gebetet. Ich weiß nicht, was Gott mit diesen Gebeten macht. Aber ich glaube, dass sie bei ihm ganz anders präsent sind als bei uns, nachdem wir gebetet haben. Bei uns sind es alte Gebete, bei Gott aber aktuelle Gebete.

Mein Schlusssatz ist ein Satz, den ich irgendwo aufgeschnappt habe, Oscar Wilde angeblich:

Am Ende wird alles gut sein. Und wenn es nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende.

Ich habe sehr überlegt, ob das stimmt. Oder ob es ein platter Mutmachspruch ist, einer fürs Poesiealbum oder für aphorismen.de. Ich meine, der Satz stimmt. Zumindest können wir ihn „taufen“, das heißt von Gott her annehmen. Klar, fast jeder lebt mit irgendeiner Gebrochenheit. Bei keinem geht im Leben alles glatt auf. Manches ist erst in der Ewigkeit wirklich gut. Aber dann eben doch, und vorher war es noch nicht das Ende. Die Ewigkeit müssen wir schon hinzunehmen. Ich nehme aber aus dem Bibelwort mit, aus dem Engelwort „Gott hat dein Gebet erhört“: Dass am Ende alles gut sein wird, das kann sich durchaus auch schon innerhalb meines Lebens einlösen. Später als gedacht vielleicht. Quälend viel später. Aber Gott hat seine eigene Zeitrechnung. Also – Zacharias würde diesen Satz vielleicht unterschreiben:

Am Ende wird alles gut sein. Und wenn es nicht gut ist, ist es noch nicht das Ende.

Donnerstag, 30. Juli 2015

Unterschiedliche Berufungen – unterschiedlich weiter Blickwinkel

Die Propheten Sacharja und Haggai lebten und wirkten zur selben Zeit (siehe Sach 1,1; Hag 1,1) und sprachen in dieselbe Situation und zu denselben Menschen: Als nach der Rückkehr aus dem Exil zwar das normale Leben funktionierte, aber der Tempel noch nicht aufgebaut war, ermunterten sie das Volk, den Tempelbau in Angriff zu nehmen. Speziell der Statthalter Serubbabel und der Hohe Priester Jeschua wurden von den beiden Propheten angeredet.

Die Botschaft dieser Propheten war im Kern dieselbe (vgl. Sach 8,9-13 mit Hag 1,5-11; 2,5-19). Doch es besteht auch ein bemerkenswerter Unterschied. Haggai konzentriert sich ganz auf das, was aus Gottes Sicht jetzt getan werden muss: Man soll anfangen, den Tempel zu erbauen. Die Führungspersonen Serubbabel und Jeschua sollen Mut fassen. Dem Volk und dem Tempel steht eine wunderbare Zukunft bevor (z.B. Hag 2,4-9).

Die Botschaft des Propheten Sacharja unterstützt Haggais Verkündigung und bestätigt sie. Doch zugleich geht Sacharjas prophetischer Blick immer wieder weit über die Gegenwart und über die nächstliegenden Aufgaben hinaus. Er blickt nicht nur nach Jerusalem, sondern auf die ganze Erde (Sach 6,1-8). Er bekommt eine Zukunft gezeigt, die alle gegenwärtigen Vorstellungen übersteigt (9,9-10; 12,6-9; 14,1-19). Das, was eigentlich der Tempel bewirken soll – Vergebung, Reinigung, Heiligung – wird einmal noch ganz anderes erreicht werden, ohne dass der Tempel eine zentrale Rolle dabei spielt (13,1; 14,20-21).

Aus Haggais Sicht könnte diese weit gesteckte Perspektive wie eine Ablenkung wirken und als ob die Stoßkraft der prophetischen Botschaft geschwächt würde: „Ich versuche hier mit aller Kraft, Serubbabel, Jeschua und das Volk zum Handeln aufzurütteln, damit sie endlich mit dem Tempel anfangen – und du erzählst, dass es irgendwann noch etwas ganz anderes geben wird und dass es auf dem Tempel nicht immer ankommen wird!“ Doch Sacharja könnte antworten: „Ich unterstreiche deine Botschaft voll und ganz und betone auch ihre Dringlichkeit. Doch wir dürfen uns nicht im Heute und Morgen verlieren, wenn Gott übermorgen noch Größeres für uns bereit hat.“

Es wird in Gottes Reich immer Menschen mit beiden Arten von Berufung geben. Die einen – die Haggai-Typen – sind berufen, das heute Wichtige durchzusetzen, und ihre Berufung konzentriert sich auf dieses Ziel. Die anderen – die Sacharja-Typen – haben die Berufung, daneben noch weitere Gesichtspunkte einzubringen und Gottes größere Ziele und Gottes weitere Zukunft zu zeigen. Ihnen hat Gott aufgetragen, an die Vorläufigkeit des Heute und Morgen zu erinnern – so wichtig die Gegenwart auch ist. Sie helfen, dass energische Verantwortungsträger im Reich Gottes ihre Ziele nicht absolut setzen.

Freitag, 17. April 2015

Neu: Methoden der Bibelauslegung

Neu erschienen:



Der Werkzeugkasten für die Bibelauslegung! Eine lebendig und anschaulich geschriebene Anleitung für die Bibelauslegung mit Tiefgang. Erfahrene Autoren stellen 21 Schritte vor, einem biblischen Text auf die Spur zu kommen. Der Bogen spannt sich vom Textschaubild über die Begriffsuntersuchung und die Einordnung in die damalige Kultur bis zur Anwendung im Hier und Heute. Außerdem wird zum Umgang mit Bibellexika, Atlanten, Kommentaren und Bibelsoftware angeleitet. Für Bibelleser und zur Vorbereitung von Andacht und Predigt.

Mit Beiträgen von:

Dr. Guido Baltes, Prof. Dr. Armin D. Baum, Prof. Dr. Craig Blomberg, Prof. Dr. Thomas Hieke, Prof. Dr. I. Howard Marshall, Angelika Reinknecht, Prof. Dr. Michael Rohde, Dr. Christoph Rösel, Benedict Schöning, Prof. Dr. Julius Steinberg, Prof. Dr. Christoph Stenschke, Hella Thorn, Dr. Ulrich Wendel, Dr. David Wenham

Hier bestellen.

Donnerstag, 29. Januar 2015

Passionszeit mit Tiefgang?

Am 18. Februar beginnt die Passionszeit. Wer hier eine Zeit mit Tiefgang erleben und einen berührenden Jesus-Weg gehen möchte, dem empfehle ich mein Buch „Sieben Worte für das Leben“. http://www.scm-brockhaus.de/…/sie…/175354/175354/175354.html Die sieben letzten Worte von Jesus am Kreuz werden in den sieben Passionswochen entfaltet. Obwohl ein Sterbender sie sprach, treffen sie mitten ins Leben. Das habe ich beim Schreiben stark empfunden, als ich über die Worte von Jesus und zugleich über meine eigenen Erfahrungen nachdachte und manches Persönliche in das Buch einfließen ließ. Bei Amazon hat das Buch fünf Sterne. http://www.amazon.de/product-rev…/…/ref=dp_db_cm_cr_acr_txt…