Montag, 17. August 2009

Predigt zum Israelsonntag: „Gottes Liebe schreibt Geschichte“

Predigt zum Israelsonntag über Mk 12,28-34: „Gottes Liebe schreibt Geschichte“

Liebe Gemeinde,
es war einmal ein junger Mann. Der lernte eines Tages eine sehr nette Frau kennen und spürte bald: Das könnte die Frau meines Lebens werden. Der Mann wollte sie kennen näher lernen, traf sich mit ihr und erfuhr einiges über sie.
Dann sagte er sich: Wenn das wirklich die Frau ist, mit der ich mein Leben verbringen werde, dann muss ich sie noch tiefer kennen lernen. Ich muss wissen, wie sie denkt und fühlt und tickt. Also machte er sich an die Arbeit. Er wusste, dass sie 1985 geboren wurde. Dieses Jahr war also bestimmt prägend für ihr ganzes weiteres Leben. Er besorgte sich Informationen über alle Ereignisse aus 1985 und überlegte, was dieser Frau damit in die Wiege gelegt war. Dann notierte er sich einige Prinzipien der 1985er.
Der Vater seiner Auserwählten war Arzt. Der Mann beschäftigte sich also mit diesem Beruf und mit den Besonderheiten von Arztfamilien. Dann notierte er sich einige Prinzipen des Arzthaushaltes. Damit, so meinte er, wäre er der begehrten Frau schon ein gutes Stück näher gekommen.
Sie hatte ihm erzählt, dass sie in Oberfranken geboren sei. Die Landschaft prägt zweifellos die Seele. Der Mann recherchierte über die Mentalität der Oberfranken und notierte sich wiederum einige Prinzipen.
Als er erfuhr, die Frau habe noch zwei ältere Brüder, versenkte er sich in die Lehre von den Geschwisterkonstellationen und versuchte, das Seelenbild eines jüngsten Geschwisterkindes zu erstellen. Auch das ergab wieder einige prächtige Prinzipien.
Im Café hatte er beobachtet, dass die auserwählte Frau Linkshänderin war. Er besorgte sich ein Buch über die Psyche der Linkshänder. Ein Freund riet ihm, er solle auch noch ihr Sternzeichen herausbekommen, um die Lebensprinzipien z. B. von Steinböcken zu finden, aber der Mann war nicht abergläubisch. Doch die Vorgehensweise hätte ihm gefallen.
Schließlich hatte er alles zusammengetragen und verabredete sich erneut mit der Frau. Beide fanden Gefallen aneinander und der Mann war sich seiner Sache sicher. Er kannte ja alle wichtigen Prinzipien seiner Freundin. Wenn sie aus ihrem Leben erzählte, machte es bei ihm sofort „klick“, wenn er eins seiner Prinzipien wiedererkannte. Ja, er wusste, wie diese Frau funktioniert! Bloß – das andere, was sie ihm erzählte, vergaß er schnell wieder. Er war sich seiner Liebe gewiss, aber der Frau kamen immer mehr Zweifel, ob er wirklich sie meinte. –

Liebe Gemeinde, warum kann es nicht klappen, jemanden auf diese Weise lieb zu gewinnen?
Weil ein Mensch nicht nach Prinzipien funktioniert. Deshalb kann sich die Liebe auch nicht einfach nach Prinzipien richten. Um jemanden kennen zu lernen, muss ich wohl seine Geschichte kennen. Die Erfahrungen, die jemand macht, prägen ihn sehr. Aber die Geschichte ist viel mehr als irgendwelche Prinzipien. Wenn du an deine Lebensgeschichte denkst, dann findest du wahrscheinlich viele Überraschungen, manche Brüche und auch immer wieder einen roten Faden. Aber eben alles bunt gemischt und nicht nach Prinzipien gegliedert. Oder?
So ist es in der Liebe und so ist es auch im Leben mit Gott. Gott funktioniert schon gar nicht nach Prinzipien, und seien es biblische Prinzipien. Gott hat andere Interessen als sich nach Grundsätzen zu richten. Gott ist Liebe und gibt Liebe und fragt nach Liebe, das ist ihm das Wichtigste. Hören wir auf einen Bibelabschnitt, der für den heutigen Israelsonntag vorgeschlagen ist:

28 Und einer der Schriftgelehrten, der gehört hatte, wie sie miteinander stritten, trat zu ihm (Jesus). Und da er sah, dass er ihnen gut geantwortet hatte, fragte er ihn: Welches Gebot ist das erste von allen? 29 Jesus antwortete: Das erste ist: Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist allein Herr, 30 und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Verstand und mit all deiner Kraft. 31 Das zweite ist dieses: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Höher als diese beiden steht kein anderes Gebot. 32 Und der Schriftgelehrte sagte zu ihm: Schön hast du das gesagt, Meister, und du hast Recht! Einer ist er, und einen anderen außer ihm gibt es nicht 33 und ihn lieben mit ganzem Herzen und mit ganzem Verstand und mit aller Kraft und den Nächsten lieben wie sich selbst – das ist weit mehr als alle Brandopfer und Rauchopfer. 34 Und Jesus sah, dass er verständig geantwortet hatte, und sagte zu ihm: Du bist nicht fern vom Reich Gottes. Und keiner wagte mehr, ihm eine Frage zu stellen. Mk 12

Zwei Juden reden miteinander. Ein ausgebildeter Schriftlehrer und ein Rabbi, der keine offizielle Ausbildung hatte, aber von großer Weisheit war: Jesus. Sie reden über das größte aller Gebote. Jesus greift aus der Fülle zwei heraus und erklärt, diese beiden seien Gott die wichtigsten. Der andere Schriftlehrer stimmt zu. Beide zitieren dabei ihre Bibel. Und so wie der Schriftlehrer mit Jesus einverstanden ist, so ist Jesus mit dem Schriftlehrer einverstanden. Es gibt keinerlei Spannung zwischen den beiden.
Alles, was hier geredet wird, ist für Juden völlig normal. Jesus bringt hier nichts, was einen Juden vor den Kopf stoßen würde. Auch andere Rabbinen haben versucht, aus der Fülle der Gebote das wichtigste herauszuziehen und an die Spitze zu stellen. Rabbi Hillel sollte einmal jemandem das ganze Gesetz erklären, solange der auf einem Fuß steht. So knapp also. Und Hillel tut es, er nennt eine Regel, die Jesus auch gesagt hat. Unterscheiden zwischen dem Kern des Gesetzes und dem Rand – das ist also gut jüdisch. Und welche beiden Gebote Jesus nun herausgreift – das ist erst recht gut jüdisch. „Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist allein Herr, und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Verstand und mit all deiner Kraft.“ Das ist das wichtigste Bekenntnis der Juden bis heute. Sie beten es morgens und abends und wenn Gott Gnade schenkt auch als letztes Wort bei ihrem Tod. Gott lieben ist das Größte. Jesus stimmt dem zu – Jesus ist eben ein Jude.

Heute erinnern wir uns an unsere besondere Verbundenheit mit Gottes Volk. Und der Bibelabschnitt bestätigt uns: Jesus ist außerordentlich eng verbunden mit Gottes Volk. Er bricht nicht aus. Er steht vielmehr mitten in der Geschichte, die Gott mit seinem Volk gegangen ist und noch geht. Es ist eine Liebesgeschichte – eine Geschichte voller Treue. Gott hat Abraham ein Versprechen gegeben und hat daran festgehalten. Über die Generationen hinweg gilt dieses Versprechen. Bei allen Umwegen und Abwegen, die Gottes Volk gegangen ist: Gott stand und steht zu seinem Versprechen und zu seinem Volk. Und Jesus steht eben mitten in dieser Geschichte. Das ist eins der größten Geschenke, die das Judentum uns macht: Die Juden als Gottes Volk zeigen uns einen Gott, der zuerst liebt und geliebt sein will. Also keinen Gott, der uns Dogmen gibt und dessen Wahrheit man sich unterwerfen müsste. Ein Gott, dessen Überlegenheit man auf Knien anerkennen müsste. Das hat zwar auch alles irgendwann seinen Platz – der Gehorsam, die Anbetung, die Ehrfurcht. Aber an erster Stelle steht etwas anderes: die Liebe zu Gott. Gott zeigt sich uns so, als Liebhaber, und zwar zeigt er sich uns durch sein Volk, die Juden, als solch ein Liebhaber. Gott beschenkt uns also durch sein Volk. Jesus bestätigt das.

„Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben – das ist das erste.“ Wir dürfen das ganz persönlich nehmen. Wir sind keine Juden, aber wir folgen Jesus nach, seitdem er uns erlöst hat. Diese Rangfolge der Wichtigkeiten nehmen wir also von Jesus an. Am wichtigsten findet er, Gott zu lieben. Wenn wir das persönlich nehmen, wird unser Leben sehr tief berührt. Die Irrtümer über Gott werden weggefegt. Und wir können aufatmen.

Gott ist es nicht am wichtigsten, dass wir keine Fehler machen – sondern dass wir ihn lieben. Wer liebt, macht auch noch Fehler – aber diese Fehler zerstören die Beziehung nicht, weil man sich eben liebt. Ich mache viele Fehler gegenüber meiner Frau, ich vergesse Wichtiges und ich missverstehe sie manchmal. Aber das zerbricht unsere Ehe nicht. Warum nicht? Weil sie von Liebe getragen wird. Manchmal verletze ich sie. Das heilt aber aus, wenn sie mir vergibt. Ich möchte sie nicht absichtlich verletzen, aber das Motto unserer Ehe ist nicht: Geht behutsam miteinander um, verletzt einander nicht. Um das zu schaffen, müssten wir ja ständig Abstand halten. Nein, nicht dies ist das Motto: Fehler vermeiden. Sondern: Liebe schenken. So ist es auch mit Gott. Mach dir das Leben nicht selber schwer damit, dass du alle Fehler zu vermeiden suchst. Erstens schaffst du das sowieso nicht und zweitens findet Gott das gar nicht am wichtigsten. Liebe ist das erste – dann können deine Fehler die Beziehung zu Gott nicht zerstören.
Gott ist es auch nicht am wichtigsten, dass wir nach seinen Prinzipien leben. Natürlich hat er seine Gebote gegeben – aber nicht als kalte Prinzipen. Du kannst dein Leben nach den besten biblischen Prinzipien führen und Gott dabei doch auf Abstand halten. So wie in der komischen Geschichte vom Anfang der Predigt. Das schafft noch keine Zuneigung, wenn du versuchst zu begreifen, wie Gott funktioniert oder wie das wohlgefällige Leben funktioniert. Ein Leben, das Gott gefällt, „funktioniert“ überhaupt nicht. Es ist doch kein Uhrwerk und kein Busfahrplan! Ein Leben, das Gott gefällt, ist eins, das ihn liebt. Wer Gott liebt, will auch seine Gebote erfüllen, klar. Aber aus Liebe und nicht als Ersatz für die Liebe.
Jesus stellt uns in eine große Freiheit, wenn er sagt, zuerst erwartet Gott Liebe von uns. Das nimmt dir allen Druck. Und wenn du im Zweifel bist, ob Gott gut über dich denkt, ob du dich mit deinem Leben zu ihm hintrauen kannst – wenn du da im Zweifel bist, dann wäge nicht die Gebote ab, die du erfüllst, gegen die, die du überschreitest. Stell nicht deine Fehler deinen guten Taten gegenüber. Das hätte ja mit Liebe nichts zu tun. Sondern besinne dich auf deine Geschichte mit Gott. Die gemeinsame Geschichte füttert die Liebe. Wenn ein Ehepaar ihre Liebe neu anfachen möchte, dann zählt ja nicht jeder auf, was er für den anderen gutes getan hat. Sondern sie stupsen sich an und sagen: „Weißt du noch? Wir zwei – damals?“ Die gemeinsame Geschichte füttert die Liebe. So auch mit Gott. Überlege, welche Höhen und Tiefen deine Geschichte mit Gott schon genommen hat und wo du Gottes Treue siehst. Deine Geschichte mit Gott hat in Jesus angefangen. Er hat Jesus für dich hingegeben, noch bevor du geboren wurdest. Mit diesem Plus, mit diesem Vorschuss bist du schon gestartet. Deine Antworten auf Gottes Liebe mögen manchmal gelungen sein und manchmal nicht. Oft hast du Gott vielleicht auch gar nicht gehört. Aber weil Gott eben eine Liebesgeschichte schreibt, wartet er einfach auf Zeichen deiner Liebe und freut sich über jeden Moment, wo du ihm solch ein Zeichen gibst. Vielleicht ganz schüchtern, aber Gott weiß es zu schätzen. Gottes Liebe schreibt Geschichte, und zwar eine Geschichte der Treue. Keine Abfolge von Prinzipien und Regeln. Wenn wir heute neu von Jesus hören, was Gott zuallererst am Herzen liegt, dann dürfen wir aufatmen und unser Blick klebt nicht mehr an unserem Scheitern und unseren Fehlern. Für die ist Jesus längst gestorben.
Ich habe im Urlaub ein bewegendes Buch gelesen und möchte es an dieser Stelle sehr warm empfehlen: Die Hütte. Ein Roman über einen Durchschnittschristen, dem das Leben tiefe Wunden geschlagen hat. Gott kommt mit ihm ins Gespräch. Eine ganz faszinierende Sicht von Gott tut sich auf, und es ist eben der Gott, der eine Geschichte gestaltet und der eine Beziehung der Liebe anknüpft. Nicht der Gott der Regeln und Grundsätze. Der hier beschriebene Gott ist durchaus heilig und unbestechlich. Keine Kuschelvariante des Zeitgeistes. Aber dieser Roman macht eben ernst damit, dass Gott zuerst Liebe ist und zuerst Liebe erwartet. Beim Lesen ist ein gutes Stück meines Gottvertrauens heil geworden und ich glaube, dass es vielen anderen auch so geht. Der Büchertisch hat einige Exemplare da.

„Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Verstand und mit all deiner Kraft.“ Auf diese Antwort wartet Gott. Aber wie geht das nun? Wie lieben wir Gott? Wie sollten wir das anfangen?
Der Israelsonntag ist eine gute Gelegenheit, auch hier von den Juden zu lernen. Ich habe viele verschiedene jüdische Auslegungen dieses Gebotes gefunden. Zwei möchte ich vorstellen. Ich meine, dass diese beiden auch im Sinne von Jesus sind.

Zunächst haben sich die jüdischen Gelehrten Gedanken gemacht, was es heißt, Gott „mit ganzem Herzen“ zu lieben. Das ganze Herz – was gehört dazu? Viele Gelehrte sehen im menschlichen Herzen zwei Triebe, nämlich den guten und den bösen Trieb. Der gute Trieb zieht und zu Gott hin, der böse Trieb zieht uns zu den egoistischen Leidenschaften hin. Kenne ich. Ihr auch? Wenn aber Gott nun „von ganzem Herzen“ geliebt sein will, dann also auch mit beiden Trieben, mit dem guten wie auch mit dem bösen Trieb.
Das ist überraschend. Ich kann mir wohl vorstellen, Gott mit dem guten Trieb zu lieben. Aber mit dem bösen? Mit meiner Selbstsucht? Meinem Misstrauen? Meiner Angst, zu kurz zu kommen, so dass ich erst an meine eigene Sicherheit denke – wie kann ich Gott damit lieben?
Wenn ich diese Triebe und Ängste überwinde, dann wäre das natürlich ein starkes Zeichen von Vertrauen zu Gott. Aber oft bin ich noch mitten drin in dem Kampf und habe die Selbstsucht und das Misstrauen noch nicht überwunden. Ich kann Gott dann trotzdem lieben, gerade so lieben, indem ich mitten in meinem Kampf zu ihm gehe. Mit meinem gespaltenen und flatterhaften Herzen. Das ist Liebe zu Gott, wenn ich ihm sage: „Gott, ich bin so unvollkommen, aber ich kann nicht warten, bis ich ohne Schuld bin, ich muss jetzt schon zu dir, auch mit meinem zerrissenen Willen“ – das ist Liebe zu Gott. Ich klammere meine Kämpfe nicht aus, ich präsentiere Gott nicht nur meine Schokoladenseite, sondern ich zeige ihm auch meine Wunden. Die Wunden, die man mir geschlagen hat und die, die ich anderen schlug und die, die ich Gott zufügte. In aller Zerrissenheit komme ich zu ihm – das ist Liebe zu Gott mit dem guten wie auch mit dem bösen Trieb. Wenn ich Gott nur in meinen Erfolgen lieben würde, dann hätte ich großen Abstand zu ihm. Weil ich eben oft keinen Erfolg habe. Aber wenn ich Gott liebe in Gehorsam und auch in Schuld – dann komme ich ihm nahe. Und mein böser Trieb verdorrt langsam in der Sonne von seiner Liebe.
Wir haben vorhin mit dem Psalm gebetet: „Lobe den HERRN, meine Seele, und was in mir ist, seinen heiligen Namen!“ (Ps 103,1) – „Was in mir ist“, soll Gott loben. Was ist denn in mir? Gute Absichten und schwache Momente. Gottes Begabungen und auch allerlei Unrat. Was in mir ist, soll ihn loben. Ich muss nicht die Hälfte verstecken. Ich liebe Gott mit dem, was in mir ist, mit dem guten und dem bösen Trieb – oder anders gesagt: ich liebe ihn „mit meinem ganzen Herzen.“ Und dann macht er mein Herz wirklich ganz.

Wie lieben wir Gott? Die jüdischen Gelehrten haben noch eine andere Weise gefunden, Gott zu lieben. Wir können ihn lieben, „wenn wir uns in einer Art und Weise verhalten, durch die Gott bei anderen beliebt wird.“ [W. G. Plaut, Die Tora in jüdischer Auslegung; Bd. 5: Dewarim / Deuteronomium, S. 114.] Gott lieben heißt: ihn bei anderen beliebt machen. Anderen einen Anlass geben, dass sie Gott lieb gewinnen. Jesus hat es so gesagt: „damit die Menschen eure guten Taten sehen und euren Vater im Himmel preisen.“ (Mt 5,16)
Liebe zu Gott wecken bei anderen – das macht Gott Freude und darin sieht er auch unsere Liebe. Wieder merken wir: Es geht nicht zuerst um Prinzipien und nicht um Wahrheiten. Es ist nicht am wichtigsten, andere von der Wahrheit der Bibel zu überzeugen oder von der Wahrheit der Schöpfungslehre oder von der Wahrheit, dass Jesus Gottes Sohn ist. Wir können andere sowieso nicht davon überzeugen. Aber wenn unser Leben spüren lässt, dass wir Gott lieben, wenn man an uns erkennt, wie Gottes Liebe uns verändert und heil macht, dann könnten wohl auch andere eine Sehnsucht nach Gott bekommen und ihn lieb gewinnen. Also ist dies unsere Mission: Liebe zu Gott hervorlocken. Und nicht zuerst: den Glauben verteidigen. Letzten Sonntag wurde dieser unglaublich klare und einfache Satz zitiert: „Mission heißt: zeigen, wer man ist und was man liebt.“ (Fulbert Steffensky) Das passt genau zu dem größten Gebot, das Jesus uns gibt. Wer bist du? Bist du nicht jemand, der Gott liebt? Wen liebst du? Liebst du nicht den Gott, der seine Geschichte der Treue auch in deinem Leben geschrieben hat? Zeig, wer du bist und was du liebst, dann ist der Druck weg, du müsstest mit klugen Argumenten die Wahrheiten des Glaubens verteidigen. Wer Gott lieb gewinnt, wird ihn dann sowieso als Wahrheit anerkennen. Zeig, wer du bist und was du liebst. Mach Gott so beliebt. Das ist auch eine Art, Gott zu lieben. Von jüdischen Bibelauslegern können wir das lernen.
Gott lieben, das ist das größte Gebot. Und das andere ist genauso groß: den Nächsten wie uns selbst lieben. Wenn ich Gott beim meinem Nächsten liebenswert mache, dann habe ich beide geliebt, Gott und meinen Nächsten.

Ich komme zum Schluss. Heute am Israelsonntag danken wir Gott für die Geschenke, die er uns durch sein Volk Israel macht. Gott hat mit seinem Volk eine Liebesgeschichte geschrieben, eine Geschichte voller Treue. Er hat sich gezeigt als Gott, der Liebesbeweise ausstreut und der Liebe erwartet. Weil Jesus für uns gestorben ist, haben auch wir unseren Platz in dieser Liebesgeschichte, obwohl wir nicht von Haus aus zu Gottes Volk gehören. Auch wir verdanken also den Juden diese Offenbarung Gottes. Wir können Gott lieben und an ihm froh werden, weil er keine Richtigkeiten von uns erwartet und keine Fehlerfreiheit, sondern Liebe. Wenn Gott so ist – sollte das nicht wiederum unsere Liebe wecken?
Amen.