Dienstag, 11. August 2009

"Wie hören wir Gottes Reden?" - 6

6 Innerer Frieden als Hinweis auf Gottes Willen

Gottes Wort verspricht: Wer Gottes Willen tut, lebt im Frieden. „Großen Frieden haben, die dein Gesetz lieben; sie werden nicht straucheln.“ (Ps 119,165) Hier hat jemand Gottes Willen bereits gefunden und erfreut sich des Friedens. Wir sind oft noch nicht so weit: wir haben Gottes Willen noch nicht immer erkannt, sondern suchen danach. Gott markiert manchmal einen „Treffer“ dadurch, dass er uns in unserem Herzen Frieden spüren lässt. Das ist eine Bestätigung für eine eingeschlagene Richtung. Umgekehrt kann eine innere Unruhe Signal für eine falsche Richtung sein.

6.1 Frieden in der Seele als „Treffermarkierung“ (Röm 8,6)

Das Sinnen des Geistes ist Leben und Frieden. Röm 8,6

Wer dem Heiligen Geist folgt, gelangt zum Frieden. Der erste Impuls, Gottes Willen zu erkennen, kommt aus einer inneren Führung durch Gottes Geist. Der Frieden kommt dann bestätigend als Zweites hinzu.
Paulus hat auch die umgekehrte Erfahrung gemacht: Er fand keinen Frieden und musste Gottes Willen deshalb woanders suchen.

12 Als ich nach Troas kam, um das Evangelium von Christus zu verkündigen, stand mir zwar eine Tür offen im Herrn, 13 mein Geist aber fand keine Ruhe, weil ich meinen Bruder Titus nicht antraf; so verabschiedete ich mich von ihnen und zog weiter nach Makedonien. 2Kor 2

5 Denn auch als wir nach Makedonien kamen, fand unser ängstliches Herz keine Ruhe, nur Bedrängnis von allen Seiten: von außen Kämpfe, von innen Ängste. 6 Doch der die Geringen tröstet, Gott, er hat uns durch die Ankunft des Titus getröstet, 7 und nicht nur durch seine Ankunft, sondern auch durch den Trost, den er bei euch erfahren hat, denn er hat uns von eurer Sehnsucht nach mir berichtet, von eurem schmerzlichen Verlangen und eurem Eifer, und das hat mich erst recht gefreut. 2Kor 7

Paulus kam von einem Konflikt mit der Gemeinde in Korinth her. Dieser Konflikt war noch nicht gelöst. Titus war beauftragt, eine Klärung zu schaffen. Inzwischen war Paulus weitergezogen.
Der Ort, an dem Paulus jetzt war – Troas in der heutigen Türkei –, hatte viele Merkmale, dass Gott Paulus dort jetzt haben wollte. Paulus kam – so wörtlich – „nach Troas zum Evangelium von Christus“: wie wenn das Evangelium schon vorher da war und Paulus es jetzt noch weiter fördern konnte. In der Tat gab es bereits in Troas eine Gemeinde. Paulus konnte für sie noch mehr Menschen hinzugewinnen – das sagt das Bild von der offenen Tür. Paulus tut exakt das, wozu Christen allgemein und er im Speziellen berufen ist. Paulus lebt hier im Einklang mit Gottes Absichten.
Aber sein Herz war voller Unruhe, denn die Versöhnung mit den Korinthern stand noch aus. Paulus musste erst Klarheit darüber haben und den Bericht von Titus bekommen. Deshalb machte er sich auf die Suche. Auch der Wechsel nach Makedonien (von der türkischen auf die griechische Landseite) war nicht schon für sich genommen der Wille Gottes. Auch hier erlebte Paulus starke Unruhe, dazu noch Druck von außen. Zudem fehlte hier auch noch eine offene Tür. Erst als Titus kam und Versöhnungsnachrichten brachte, war der innere Friede hergestellt.
Zwei Signale von Gottes Geist können sich also zeitweilig widersprechen: einerseits die offene Tür und andererseits der fehlende Friede. Paulus musste sich für eins der beiden Signale entscheiden. Warum hat er sich hier gegen die Evangelisation entscheiden? Vielleicht weil sie für diesen Moment „auf Kosten anderer“ ging. Der Friede mit Korinth war in dieser Situation wichtiger als die Evangelisation in Troas. Paulus konnte nicht über seine Mission Frieden empfinden, wenn an anderer Stelle Unfriede herrschte. Der Segen in Troas wog den gestörten Segen in Korinth nicht auf. Klärung war die nötige Voraussetzung für eine tiefgehende Evangelisation.

Gibt es auch Situationen, wo ich mich gegen meine innere Unruhe entscheiden muss, für ein anderes Signal von Gottes Geist?

Die innere Unruhe bei Paulus hat ihn ja auf einen ganz bestimmten, realen Unfrieden hingewiesen: das gestörte Verhältnis zur Gemeinde in Korinth. Wenn mich meine innere Unruhe trotz längeren Suchens nicht auf eine echte greifbare Missstimmigkeit hinweist, dann könnte es sein, dass ich dem anderen Signal des Geistes folgen sollte. Dann aber wird wahrscheinlich früher oder später Gottes Friede einkehren.

6.2 Unruhe aus Gottes Geist – Unruhe aus der eigenen Seele

Kommt eine innere Unruhe immer oder meist von Gottes Geist? Kann sie nicht aus falscher seelischer Unruhe kommen?

Alfred Christlieb unterscheidet zwischen Unruhe als Geistesleitung und der „Naturunruhe“. Er empfiehlt eine Art Test: Was passiert, wenn ich der Unruche nicht folge? Falle ich dann ganz aus Gottes Frieden heraus, so war die Unruhe von Gott – ich muss ihr also doch folgen. Oder aber es „bleibt im tiefsten innersten Seelengrund ganz ruhig und still, und auch die Naturunruhe legt sich allmählich“. Es war dann eine „natürliche oder vom Feind gewirkte Unruhe“. (A. Christlieb: Innere Unruhe, in ders.: Licht von Oben Bd. 3, Marburg 1967, 82-84.) Es kommt also darauf an, sich ein wenig Zeit zu lassen, die Unruhe zu beobachten und nach Gottes Frieden zu suchen. Paulus sagt ja, sein Geist „fand“ keine Ruhe. Er muss zuerst danach gesucht haben – das braucht etwas Zeit.

Es gibt eine spezielle Art innerer Unruhe, die geistlich daherkommt und doch nicht Gottes Reden ist: wenn jemand sich ständig neu Unruhe macht wegen einer Schuld, die schon bekannt und vergeben ist. Hier soll man nicht der Unruhe folgen, sondern sein eigenes Herz beruhigen:

19 Daran werden wir erkennen, dass wir aus der Wahrheit sind, und vor ihm werden wir unser Herz beruhigen. 20 Denn auch wenn das Herz uns verurteilt: Gott ist größer als unser Herz und erkennt alles. 1Joh 3

Die Unruhe sagt hier fälschlich: Du bist von Gott entfernt. Die richtige Antwort muss heißen: Gott ist großer als mein unruhiges Herz. Weil er mir vergeben hat, bin ich hier und jetzt in der Wahrheit.

6.3 Gegenprobe 1: Innere Unruhe, in der man bleiben muss (Jeremia)

In Ausnahmefällen gibt es eine innere Unruhe, die nicht so schnell aufgelöst wird, so dass es dann etwa „im tiefsten innersten Seelengrund ganz ruhig und still bleibt“ (Christlieb). Trotzdem kann man sich mitsamt seiner Unruhe genau im Zentrum von Gottes Willen befinden.
Diese Erfahrung musste Jeremia machen. Immer wieder war er tief verstört über Gottes Absichten mit seinem Leben.

10 Wehe mir, dass du, meine Mutter, mich geboren hast, einen Mann des Streits, einen Mann, der zerstritten ist mit dem ganzen Land, niemand ist mir etwas schuldig, und ich schulde niemandem etwas: Jeder verflucht mich. [...] 17 Nie habe ich im Kreis derer gesessen, die ihren Spaß hatten, und nie war ich fröhlich, aus Furcht vor deiner Hand saß ich einsam, denn mit Groll hast du mich erfüllt. 18 Warum nimmt mein Schmerz kein Ende und ist meine Wunde unheilbar? Sie will nicht heilen. Wie ein trügerischer Bach, so bist du für mich, Wasser, auf das kein Verlass ist. Jer 15

7 Du hast mich überredet, HERR, und ich habe mich überreden lassen; du bist stärker als ich, und du hast gewonnen; den ganzen Tag lang bin ich ein Gespött, jeder macht sich lustig über mich. 8 Denn wenn immer ich rede, schreie ich auf. Gewalttat und Unterdrückung!, rufe ich. Denn den ganzen Tag lang gereicht mir das Wort des HERRN zu Hohn und Spott. 9 Und wenn ich sage: Ich werde nicht an ihn denken und nicht mehr in seinem Namen sprechen!, dann wird es in meinem Herzen wie brennendes Feuer, eingeschlossen in meinem Gebein. Und ich habe mich abgemüht, es zu ertragen, und ich kann es nicht. Jer 20

Jeremia ist in einem Dilemma: Folgt er seinem Auftrag, so ist er mit allen anderen Menschen zerfallen – und das raubt ihm den Frieden. Aber folgt er seinem Auftrag nicht, so „wird es in seinem Herzen wie brennendes Feuer“. Frieden hat er also auch so nicht. Er findet überhaupt keinen Frieden, auch oft nicht, wenn er Gottes Willen tut. Das Endergebnis sieht dann so aus:

17 Und aus dem Frieden hast du mich verstoßen, was Glück ist, habe ich vergessen! (Klagelieder 3)

Jeremia hört zwar auch Worte des Trostes von Gott: „Denn nicht von Herzen hat er erniedrigt und die Menschen in Kummer gestürzt.“ (Klgl 3,33). Aber der Friede ist nur Zukunftsmusik für ihn.

Wie kann sich Jeremia sicher sein, dass er nicht aus seiner Situation fliehen soll trotz seiner Unruhe? Weil er eine klare Lebensberufung bekam und weil diese Berufung schon von Anfang an von Druck und Widerstand sprach (Jer 1,10.18.19). Jeremia musste viel mehr Negatives als Positives sagen (1,10: ein Verhältnis von 4 zu 2). Gott hat ihm später bestätigt, dass der Druck, die Unsicherheit und das menschliche Misstrauen noch zunehmen würden (Jer 12,5+6). Gott ließ also Jeremia mit seiner Unruhe nicht allein, sondern sprach immer wieder zu ihm. Dieses aktuelle Reden Gottes stellte klar, dass beide im Zentrum von Gottes Willen nebeneinander ihren Platz haben: Jeremia und auch die Unruhe.
Unruhe ist also kein Zeichen, woandershin aufzubrechen, wenn Gott klar redet, dass man dort bleiben soll. Aber solche klaren Worte von Gott sind dann auch schon nötig, um es aushalten zu können.

6.4 Gegenprobe 2: Frieden als faule Sicherheit (Zefanja, Amos)
Es gibt auch einen inneren Frieden, den man sich selbst verschafft, den man nicht von Gott geschenkt bekommt. Gott würde gerade Unruhe geben, damit man aus einer untragbaren Lage aufbricht, aber jemand übersieht solche Signale Gottes und meint, im Frieden mit sich zu sein.
Die Propheten zeigen solchen faulen Frieden auf:

Zur selben Zeit will ich Jerusalem mit der Lampe durchsuchen und aufschrecken die Leute, die sich durch nichts aus der Ruhe bringen lassen und sprechen in ihrem Herzen: Der HERR wird weder Gutes noch Böses tun. Zef 1,12

1 Wehe den Sorglosen in Zion und denen, die sich in Sicherheit glauben auf dem Berg von Samaria, den Vornehmen der ersten unter den Nationen, zu denen das Haus Israel kommt! [...] 3 Die ihr meint, der Tag des Unheils sei fern, und die ihr dafür gesorgt habt, dass die Herrschaft der Gewalt nahe gerückt ist! 4 Die auf Lagern aus Elfenbein liegen, hingefläzt auf ihren Ruhebetten, und die Widder essen von der Herde und Rinder aus der Mast, 5 die sich zum Klang der Harfe versuchen und sich für David halten an den Instrumenten, 6 die Wein aus Schalen trinken und sich salben mit dem besten Öl, aber nicht erschüttert sind über den Zusammenbruch Josefs! Amos 6

Hier hätte man durchaus unruhig, erschüttert sein müssen. Warum? Weil Ungerechtigkeit herrscht und man selbst die Ursache dafür ist. Der eigene Friede geht auf Kosten anderer.

Wie kann ich mich prüfen, ob ich in einem selbstgemachten oder Gott-gegebenen Frieden lebe?

Ich setze mich Gottes Anrede aus. Ich befasse mich umfassend mit Gottes Willen in der Bibel, nicht nur mit ausgewählten Stellen. Wenn ich dann zunehmende Unruhe spüre, ist diese Unruhe wohl ein Signal Gottes: Ich soll umkehren.
Wenn ich meinen Seelenfrieden nur dann aufrecht erhalten kann, indem ich bestimmte Lebensbereiche nicht vor Gott bringe, dann dürfte es ebenfalls ein fauler Friede sein.

6.5 Fazit

Der innere Friede ist ein gutes Signal für Gottes Willen, aber keins, das allein schon für sich spricht. Es muss immer abgestimmt sein mit den anderen Weisen, wie Gott redet.