Montag, 28. Dezember 2009

„Die Geschenke Jesu“

Predigt über Mt 2,1-12: „Die Geschenke Jesu“ (25.12.2009)
Liebe Gemeinde,
Man kann es drehen wie man will: Geschenke spielen bei uns zu Weihnachten doch auch eine Rolle. Vor allem, wenn Kinder da sind, ist es so, aber es hängt nicht nur an ihnen. Woher kommt eigentlich der Brauch der Weihnachtsgeschenke? Viele sagen: Das hat mit den Sterndeutern angefangen. Darüber ist in der Bibel folgendes berichtet:

1 Als Jesus in Bethlehem in Judäa zur Welt gekommen war, zur Regierungszeit des Herodes, da kamen doch Astrologen aus dem Orient nach Jerusalem 2 und sagten: „Wo ist der neulich geborene König der Juden? Wir sahen nämlich seinen Stern, wie er aufging, und sind gekommen, um ihn zu verehren.“ 3 Als der König Herodes das hörte, wurde er aufgeregt, und ganz Jerusalem mit ihm. 4 So bestellte er alle Oberpriester und Schriftlehrer des Volks zusammen und erkundigte sich bei ihnen: „Wo kommt der Messias zur Welt?“ 5 Sie antworteten ihm: „In Bethlehem in Judäa. So nämlich ist es aufgezeichnet beim Propheten: 6 ‚Und du, Bethlehem – Land Juda –: durchaus nicht die Geringste bist du unter den Regenten Judas; denn aus dir wird ein Herrscher hervorgehen, der als Hirte für mein Volk, für Israel, sorgen wird.‘ “ 7 Darauf bestellte Herodes die Astrologen diskret her und ergründete von ihnen exakt den Zeitraum, in dem der Stern erschienen war. 8 Dann schickte er sie nach Bethlehem und sagte: „Geht und versucht, Genaues über das Kind herauszubekommen. Sobald ihr fündig geworden seid, benachrichtigt mich, damit auch ich komme und es verehre.“ 9 Da sie das Anliegen des Königs verstanden hatten, gingen sie los. Und da zog doch der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, vor ihnen her, bis er ankam und dort stehen blieb, wo das Kind war! 10 Beim Anblick des Sterns überkam sie große Freude und Hochstimmung. 11 Sie betraten das Haus und erblickten das Kind mit Maria, seiner Mutter. Da sanken sie nieder und verehrten es, öffneten ihre Kassetten und überreichten ihm Geschenke: Gold und Weihrauch und Myrrhe. 12 Und weil sie im Traum die Weisung bekamen, nicht zu Herodes zurückzukehren, reisten sie über einen anderen Weg zurück in ihre Heimat. (Mt 2)

Zum Schluss haben sie Jesus ihre Geschenke gegeben. Astrologen waren es. Sie lebten im Orient, vielleicht in Persien. Vor ihrer Reise haben sie einfach ihren Job getan: Sterne beobachten. Eines Tages fanden sie einen ganz besonderen Stern, besonders hell. Man hat herausgefunden: Wahrscheinlich waren das die Planeten Jupiter und Saturn. Sie standen zu dieser Zeit so eng beieinander, dass es wie ein einziger heller Stern aussah. Beide Planeten galten als Symbol: der eine als Königsgestirn und der andere als Stern Israels. Die Sterndeuter musste nur noch eins und eins zusammenzählen: Ein König kommt in Israel.
Schlussfolgerung: Man machte sich auf die Reise. Vielleicht wollten sie diplomatische Beziehungen zum neuen Regenten anknüpfen. Was aber bringt man einem Regenten mit? Nun, Gold ist immer willkommen. Regenten sind gern reich.
Was noch? Regenten haben heute einen Leibarzt wie auch andere Prominente. Ihre Gesundheit gilt als besonders schützenswert. Die Astrologen konnten nun keinen Arzt mitnehmen und dem Prinzen da lassen. Damals war aber auch Medizin sehr wertvoll.
Daher die Geschenke Weihrauch und Myrrhe: sie waren nicht nur kostbar als Geldanlage, nicht nur begehrt als Parfüm, sondern auch Medikamente. Weihrauch hilft z. B. gegen Rheuma , Myrrhe gegen Entzündungen. Den Grundstock für die königliche Leib-Apotheke brachten also die Sterndeuter mit. „Dein Leben bleibe bewahrt“ – dieser Wunsch drückte sich in dem Geschenk aus.

Das waren die Geschenke für Jesus. Waren es passende Geschenke für diesen speziellen „König“, für den Retter, den Messias Jesus?
Gegenfrage: Hat Jesus jemals Gold gebraucht? Reichtum? Jesus hat in voller Hingabe für Gottes Königtum gelebt, aber nie für sich selbst daraus Kapital geschlagen. Er hat sich nie bezahlen lassen für seine Heilungen, er war umgekehrt derjenige, der Menschen beschenkt hat. Und zwar mit Wertvollerem als Gold und Geld.
Was ist wertvoller als Geld? Wir heute sagen: Geld macht nicht glücklich, aber auf einen Versuch kann man es ja mal ankommen lassen... Aber offenkundig: Reiche sind nicht zufriedener, nicht glücklicher. Der Grad der Zufriedenheit steigt nicht gleichmäßig mit dem Wohlstand an.
Wirklich wertvoll ist Anerkennung. Wertschätzung. „Du darfst ... nein: du sollst gelten, weil du bist, wie du bist!“ Solche Worte der Anerkennung sind „Gold wert“ und mehr als das – manchmal unbezahlbar.
Das hat der erwachsene Jesus ganz vielen Menschen um sich herum gegeben: Wertschätzung. „Du bist eine Tochter Abrahams!“ – „Heute ist das Heil in dieses Haus eingezogen!“ – „Hindert die Kinder nicht und macht ihnen keinen Ärger!“ „Was willst du, das ich für dich tun soll?“ – „Der Vater heißt dich willkommen und kleidet dich mit dem besten Anzug!“ – „Der Vater sagt dir: Mein Kind, du bist immer bei mir, und alles, was mein ist, ist auch dein!“ Das wird der kürzlich geborene König der Juden einmal sagen, wenn er erwachsen ist. Er ist es, der Wertschätzung verschenkt. Kostbarer als Gold. Er gibt den Menschen eine königliche Würde: Sie sind durch Jesus Kinder des Vaters im Himmel und haben ihren Platz in Gottes Königreich!
Zurück zum kleinen Kind Jesus: War also das Goldgeschenk für Jesus passend oder unpassend? Unpassend, weil Jesus ganz andere Werte hatte als Reichtum. Aber passend, weil es wie ein Hinweis, eine Voraussage war: Dieser König der Juden wird Worte sprechen und Taten tun, die mehr als Gold wert sind.
Die Astrologen: Fast waren es unbewusste Propheten: sie taten etwas, das ein Zeichen enthielt und über das hinausragte, was ihnen selber bewusst war. Ihr Geschenk war „falsch“ – aber sie wussten nicht, wie richtig es tatsächlich doch war: als Zeichen.

Dieses Zeichen zeigt bis heute etwas an. Der König der Juden spricht dir zu, wie wertvoll du bist: „Du bist eine Tochter Abrahams!“ – „Heute will das Heil in dein Haus einziehen!“ – Auch wenn du dich klein fühlst wie ein Kind: niemand darf dich hindern und dir Ärger machen. „Was willst du, das ich für dich tun soll?“ – „Der Vater heißt dich willkommen und kleidet dich mit dem besten Anzug!“ – „Der Vater sagt dir: Mein Kind, du bist immer bei mir, und alles, was mein ist, ist auch dein!“ Das sind Worte und mehr als das: Tatsachen, besser als Gold.

Und nun die anderen Geschenke: Weihrauch und Myrrhe. Ich sehe sie gemeinsam als ein Geschenk, denn beides sind kostbare Balsamharze. Medizin. Passt dieses Geschenk zu Jesus?
Nur ein bisschen. Sicher war Jesus voll und ganz Mensch. Also wird er auch krank geworden sein, hat die Kinderkrankheiten nicht übersprungen (warum sollte er nicht auch Fieber gehabt haben?), er hat sich sicher auch mal in der Werkstatt in den Finger gesägt.
Aber vor allem war er ja der, der den Menschen Gesundheit gegeben hat. Viele hat er geheilt. Jesus ist nicht wie ein hochempfindlicher Regent oder Promi, der beim geringsten Unwohlsein den gesamten medizinischen Apparat anlaufen lässt. Dafür braucht er keine kostbaren Medizin-Geschenke. Jesus ist der Heil-Bringer, der Messias, der das Herz heilt, aber immer wieder auch den Körper.
Also waren die Astrologen auch mit diesen Medizin-Geschenken unbewusste Propheten, die gezeigt haben, wie der König der Juden als Erwachsener leben wird.

Aber die Hinweise reichen noch tiefer. Beide Balsam-Harze, Weihrauch und Myrrhe, werden im Nahen Osten auf eine ganz spezielle Weise gewonnen und geerntet: Die Rinde des Balsambaums wird an vielen Stellen eingeritzt. Aus diesen Schnitten sondert sich das Harz ab. Es ist, als ob der Baum aus vielen Wunden „blutet“. Aber nur indem der Baum so verwundet wird, kann die heilende Substanz, das Harz, zutage kommen. Unverletzte Balsambäume können kein Heilmittel abgeben. Nur verwundete.
Die heidnischen Astrologen konnten keine Ahnung davon haben, dass Israels Gott seinen Sohn sendet, der gerade so die Rettung für die Menschen bringen würde: durch seine Verletzungen und Wunden. Selbst die Juden damals hatten ja nur eine ferne Ahnung davon, dass der Retter etwa auch durchs Leiden gehen könnte. Die Astrologen wollten von sich aus diese Wahrheit bestimmt nicht ausdrücken. Und doch enthält ihr Geschenk, Weihrauch und Myrrhe, gerade dieses Zeichen: Heilung kommt aus der blutenden Wunde des Baums.

Auch dieses Zeichen spricht bis heute. Jesus, der gerade geborene König der Juden, ist dein Retter, er hat Medizin für deine Lebenswunden. Sie kommt aus seinen Wunden. Er hat sich nicht unversehrt aufbewahrt. Er hat sich tief verletzen lassen. Gerade so hat er das hervorgebracht, was mein und was dein Leben heil macht. Schon wenige Zeit nach seiner Geburt stand dieses Zeichen bei ihm: Medizin, die aus der Wunde fließt. Weihrauch und Myrrhe. In dem, was die Astrologen brachten, ist das Zeichen des Kreuzes verborgen. Der Auftrag des Messias, des Königs der Juden, war auf geheimnisvolle Weise von Anfang an als Zeichen gesetzt.

Jochen Klepper hat ein Weihnachtslied gedichtet, das ganz entsprechend das Zeichen des Kreuzes schon im Blick hat: „Du Kind, zu dieser heiligen Zeit gedenken wir auch an dein Leid. [...] Dein Urteilsspruch ist längst gefällt, das Kreuz ist dir schon aufgestellt. [...] Dein Elend wendet keiner ab. Vor deiner Krippe gähnt das Grab.“ – Dieses Lied ist wahr und die Geschenke der Heiden deuten das an.

Als Jesus aufgewachsen war und erwachsen war, hat er vielleicht diese Geschenke der Astrologen gar nicht gebraucht, gar nicht benutzt. Auch das Gold taucht ja nie mehr auf in seinem Leben oder bei seinen Eltern. Josef, Maria, Jesus und seine Geschwister, waren eine einfache und anfangs arme Handwerkerfamilie. Das Gold hat sie da nicht rausgeholt. Also haben sie vielleicht auch das andere Geschenk, die Medizin, gar nicht richtig benutzt. Man weiß es nicht.

Aber ganz am Ende von Jesu Leben spielte das Balsamharz Myrrhe doch wieder eine Rolle. Er bekam es wiederum von Heiden und danach auch von einem Juden. Als er am Kreuz hing und die elendesten Schmerzen litt, da brachten ihm römische Soldaten ein betäubendes Getränk: Wein mit Myrrhe. Da ist diese geheimnisvolle Medizin wieder. Aber Jesus hatte sie auch jetzt nicht angenommen. (Mk 15,23) Er hat sich seinem rasenden Schmerz, seinen Wunden ganz ausliefern lassen. Und als er tot war, hatten ihn zwei Männer begraben Josef von Arimathäa und Nikodemus. Und der brachte u.a. als Balsamierung eine Riesenmenge Myrrhe mit (Joh 19,39). So wurde der tote Jesus gesalbt mit dem Balsam, der aus einem verwundeten Baum gewonnen war.
Salbung – das war in Israel schon seit Jahrhunderten ein ganz bestimmter Brauch. Immer schon wurden Propheten und Könige gesalbt mit Salböl, in dem auch Myrrhe enthalten war. Und jetzt Jesus, der Messias, der Gesalbte: Als Gestorbener noch auf geheimnisvolle Weise gesalbt wie zum Messias, auch mit dem Balsam, der aus dem verletzten blutenden Baum geflossen ist. So ein Messias also ist Jesus: Der Verwundete, der heil macht. Das geheimnisvolle Zeichen dafür hat er schon ganz zu Beginn seines Lebens bekommen: von den heidnischen Astrologen, die Weihrauch und Myrrhe schenkten.
Als Jesus geboren war, als die Astrologen kamen, hat das noch niemand ahnen können. Alle haben sicher nur den blendenden Reichtum von Gold, Weihrauch und Myrrhe gesehen. Aber wir, wenn wir am Christfest Christus feiern, wir können Weihnachten gerade so feiern, dass wir Jesus ehren, der uns durch seine Wunden heil macht.

Wieder war es ein Liederdichter, der diesen Zusammenhang mit Weihnachten gesehen hat: Paul Gerhardt. „Die ihr schwebt in großen Leiden, sehet, hier ist die Tür zu den wahren Freuden!“ – „Wer sich fühlt beschwert im Herzen, wer empfind’t seine Sünd’ und Gewissensschmerzen, sei getrost: hier wird gefunden, der in Eil machet heil die vergift’ten Wunden.“ – „Die ihr arm seid und elende, kommt herbei, füllet frei eures Glaubens Hände! Hier sind alle guten Gaben, und das Gold, da ihr sollt euer Herz mit laben.“

So können wir Weihnachten als Christfest (Christ-Fest!) feiern: Indem wir zu Jesus gehen und ihm danken. Er ist wie der Balsambaum, aus dessen Schnitten das Heilmittel fließt. Er ist der verwundete Heiler. Durch seine Wunden werden wir heil. Dafür können wir ihm tief danken.
Und wir können noch weiter gehen. Nicht nur danken. Wie widersinnig wäre es, wenn wir ihm danken, aber unsere eigenen Wunden von ihm weghalten. Es ist ja nicht sentimental oder wehleidig, wenn wir davon sprechen, dass jeder Mensch Lebenswunden hat. Sondern das ist zutiefst realistisch. Lasst uns gerade als verletzte Menschen zu Jesus gehen, dem König der Juden, dem König unseres Lebens. Für unsere Wunden ist er gekommen.
Lasst uns schließlich noch einen weiteren Schritt gehen. Wenn wir Gutes von Jesus bekommen haben: Wertschätzung, unbezahlbar, mehr als Gold wert – und Genesung, Heilungsprozesse für unsere Lebenswunden – dann können wir selber Menschen werden, die wie „verwundete Heiler“ sind: Wir können Balsam sein für andere. Gerade weil wir nicht makellos und strotzend gesund sind, sondern weil auch wir verwundet wurden, aber Heilung von Jesus bekommen haben. Gerade so können wir Segen für andere sein. Jesus erlöst uns aus dem Zwang, aus dem Kreislauf, dass wir das, was wir einstecken mussten, später an andere austeilen. Dieser Kreislauf ist ja fast ein erschütterndes Naturgesetz und Richter, die Recht zu sprechen haben, können ein trauriges Lied davon singen: Verletze verletzen. Wer anderen etwas zugefügt hat, wurde zumeist selbst früher verletzt. Auch Therapeuten könnten aus ihren Praxen davon berichten. Jesus nun erlöst uns aus dem bitteren Mechanismus, dass Verletzte später andere verletzen. Unsere heilenden Verletzungen befähigen uns dann geradezu, heilsam für andere zu sein.
Der Balsambaum, Symbol für Jesus, kann auch eine Bestimmung für uns werden: Gerade aus den Wunden fließt Heilmittel. Wir können anderen Wertschätzung geben, Anerkennung, wertvoller als Gold.

Wir haben heute gehört, wie die heidnischen Astrologen Geschenke für Jesus brachten. Es waren für diesen König eigentlich unpassende Geschenke. Aber auf geheimnisvolle Weise dann doch passend. Die Geschenke Jesu – Gold, Weihrauch und Myrrhe – es sind im Tiefsten wirklich Geschenke Jesu: Dinge, die er uns schenkt. Wert. Heilung. Und einen neuen Auftrag: verwundete Heiler zu werden.
Wie hat Paul Gerhardt es gesagt? „Die ihr arm seid und elende, kommt herbei, füllet frei eures Glaubens Hände! Hier sind alle guten Gaben, und das Gold, da ihr sollt euer Herz mit laben.“ Amen.

(Ich verdanke einer Andacht von Pfr. Hans-Jürgen Peters, Marburg, die Anregung zu dieser Predigt.)