Montag, 6. Juli 2009

"Wie hören wir Gottes Reden?" - 1

1 Micha 6,1-8: Gottes Wort ist längst gesagt
Wir fragen nach Gottes aktuellem Willen. Wir tun das in einer Entscheidungs-situation unserer Gemeinde – in einer Art Krise. Das ist typisch für Übergangs-Zeiten: Gottes Wille versteht sich nicht mehr von selbst, sondern muss neu ge-funden werden. Das ist die Chance von Krisen.
Wir lernen in dieser Lektion einen Weg kennen, Gottes Rede zu hören. Die Bi-belstelle stammt aus einer Zeit, in der Gottes Volk (mal wieder) in einer Krise war.

1.1 Die Krise
· Ungerechtigkeit herrscht im Lande; die Mächtigen berauben die Armen (Mi 2,1-10).
· Götzen werden angebetet (Mi 1,5-7).
· Das Land steht vor dem Untergang, politisch gesehen durch die Bedrohung der assyrischen Großmacht (Mi 1,10-16; 2,10; 3,12)
Aber die Krise ist noch schärfer: Gott selber sieht sich auf der Anklagebank und „muss“ sich verteidigen (6,1.4). Also haben die Verantwortlichen nicht nur das Volk ins Unglück geführt, sondern sich auch noch bei Gott beschwert.
Dennoch gab es aufrichtiges Fragen nach Gott: „Was sollen wir denn tun? Was ist dein Wille?“

1.2 Das Bibelwort: Mi 6,1-8

1 Hört doch, was der HERR spricht:
Auf, führe einen Rechtsstreit vor den Bergen,
und die Hügel sollen deine Stimme hören!
2 Hört, ihr Berge, den Rechtsstreit des HERRN,
und ihr Uralten, ihr Grundfesten der Erde!
Denn der HERR hat einen Rechtsstreit mit seinem Volk,
und mit Israel rechtet er.
3 Mein Volk, was habe ich dir angetan?
Und womit habe ich dich ermüdet?
Sage gegen mich aus!
4 Ich habe dich doch heraufgeführt aus dem Land Ägypten
und dich erlöst aus einem Sklavenhaus!
Und vor dir her
habe ich Mose, Aaron und Mirjam gesandt.
5 Mein Volk, erinnere dich doch, was Balak, der König von Moab, beschlossen
und was Bileam, der Sohn von Beor, ihm geantwortet hat,
was von Schittim bis Gilgal geschah,
damit du die gerechten Taten des HERRN erkennst!
6 Mit welcher Gabe soll ich vor den HERRN treten,
mich beugen vor dem Gott der Höhe?
Soll ich mit Brandopfern vor ihn treten,
mit einjährigen Kälbern?
7 Gefallen dem HERRN Tausende von Widdern,
ungezählte Bäche von Öl?
Soll ich meinen Erstgeborenen hingeben für mein Vergehen,
die Frucht meines Leibes als Sündopfer für mein Leben?
8 Er hat dir kundgetan, Mensch, was gut ist,
und was der HERR von dir fordert:
Nichts anderes, als Recht zu üben und Güte zu lieben
und in Einsicht mit deinem Gott zu gehen.


1.3 Gottes Verteidigungsrede: 6,1-5
Gott eröffnet einen Gerichtsprozess.
Wofür sieht Gott sich angeklagt?
Welche Argumente bringt Gott zu seiner „Verteidigung“?
Gott wird vorgeworfen, er habe seinem Volk etwas angetan und es ermüdet. Damit sind wahrscheinlich die Opfergaben gemeint, die dem Volk schwer fielen und derer es müde war. So sagt es zumindest Michas Zeitgenossen, der Prophet Jesaja (43,23f.).
Gott weist auf das hin, was er für sein Volk getan hat:
· Befreiung aus der Sklaverei
· Die Gabe der schriftlichen Weisung, der Tora (dafür steht „Mose“)
· Die Gabe des Priesterdienstes: mündliche Weisung und Versöhnung (dafür steht „Aaron“)
· Die Gabe der Prophetie (dafür steht vielleicht „Mirjam“)
· Bewahrung vor Angriffen, Wandlung des Fluches in Segen (dafür stehen „Ba-lak“ und „Bileam“)
· Schutz und Leitung beim Einzug ins verheißene Land (dafür stehen „Schit-tim“, die letzte Station vor dem Durchzug durch den Jordan, und „Gilgal“, die erste Station danach)
Gott erwartet also von seinem Volk, dass es sich erinnern kann, auf seine Ge-schichte zurückblickt, Gottes Güte darin ablesen kann. Gottes Volk soll seine Ge-schichte als Heils-Geschichte deuten können.

1.4 Die Stimme des Volkes (6,6f.)
Jemand aus dem Volk ist angesprochen von Gottes Verteidigungsrede. Man erkennt, dass man auf Gott wieder zugehen muss. Aber wie? Was erwartet Gott? Verschiedene Möglichkeiten, Angebote werden abgewogen. Demut und Unter-werfung werden erkennbar.
Was sind das für Angebote? Welche Art von Hingabe wird deutlich? Würde Gott das gefallen?
Die „Angebote“ steigern sich immer mehr bis ins Unvorstellbare.
Wir merken: bis ins Krankhafte hinein steigert sich hier eine religiöse Bereit-schaft, ein ehrfürchtiges Wagnis, Gott zu nahen, eine völlige Beugung vor dem Hohen. In jedem Falle werden Gott Opfer angeboten, wird Verzicht geübt, ge-schieht Hingabe an Gott selbst. Nichts wird hier für den Menschen zurückgehal-ten oder gewonnen. [...] Die große Antwort folgt erst. Sie wird nicht einen einzi-gen der Opfervorschläge aufnehmen. Derartige Verzichtsleistungen und Opfer zugunsten Gottes gehören nicht zu dem, was gut ist für den Menschen.
H. W. Wolff
Hier zeigt sich wieder einmal die zutreffende Unterscheidung von Religion und Glaube: Religion ist der Gott suchende Mensch; Glaube ist der Mensch suchende Gott. In V. 6f. ist Religion spürbar.

1.5 Die Antwort (6,8)
Wer redet in Vers 8?
Die Antwort auf die Frage, was Gott will, wird gar nicht von Gott selbst gege-ben, obwohl der doch in V. 1-5 redete. Die Antwort kommt vielmehr vom Pro-pheten. Das erkennt man daran, dass vom „HERRN“ nicht in der Ich-Form, son-dern in der Er-Form gesprochen wird.
Diese Form der Antwort ist in sich schon eine Antwort: Gott muss seinen Wil-len nicht neu ansagen. Er ist längst angesagt. Der Prophet erinnert daran. Drei Dinge sind es, die eng zusammengehören:
Das Gebotene tun (Recht üben), Gemeinschaftssinn lieben und aufmerksam
(oder wachsam) mitgehen mit deinem Gott. (nach H. W. Wolff)
Alles das ist Gottes Volk bereits gesagt und aufgeschrieben: in der Tora, in seiner Bibel. Die Frage nach Gottes Willen ist fast überflüssig, sie ist jedenfalls längst beantwortet.
Die ersten beiden Verhaltensweisen sind nicht schwer herauszufinden: Ge-rechtigkeit ist meist schnell zu unterscheiden von Ungerechtigkeit. Das Wort „Gemeinschaftstreue“ (Luther: „Liebe“) bedeutet eine Verbundenheit unterein-ander und mit Gott. Zwischen den Menschen ist es sine Solidarität.
Das sind aber nun keine Werte, die man praktizieren soll und damit würde man Gott wohlgefällig leben. Es genügt nicht, dass der Mensch losgeht und gute Werte ausübt. Das könnte letztlich doch wieder „Religion“ sein, ein Angebot des Menschen an Gott. Oder eine ethisch respektable Lebensführung ohne Gott. Des-halb kommt noch das Dritte: gemeinsam mit Gott den Weg gehen, im Aufblick zu ihm. Gott will keine Opfer, Gaben, Angebote, sondern den ganzen Menschen.
Jene drei Angebote waren ein Ausweichen. Es handelt sich nicht um Gaben [...]: Es geht um zuverlässigen, mit Gott verbundenen Gehorsam. Nur er enthält die Hingabe des Lebens an Gott. (R. Frhr. v. Ungern-Sternberg)
„Aufmerksam mitgehen“ – Wolff erinnert hier an Ps 123,2:
Sieh, wie die Augen der Diener
auf die Hand ihres Herrn,
wie die Augen der Magd
auf die Hand ihrer Herrin,
so blicken unsere Augen auf den HERRN, unseren Gott,
bis er uns gnädig ist.
„Wachsam leben mit deinem Gott“ – das bedeutet auch: seine Spuren deuten in der Geschichte, wie es V. 4f. gezeigt haben.

1.6 Anwendung für heute
Wenn wir nach Gottes Willen fragen, dann schickt Gott uns zunächst zurück zu seinem Wort, zur Bibel. Die sollen wir praktizieren – aber nicht losgelöst von Gott, sondern verbunden mit ihm. Bibellesen und hörendes Beten muss also Hand in Hand gehen.
Wir dürfen aktuelle Erfordernisse oder Sachzwänge nicht gegen die Bibel aus-spielen. Die Bibel muss das erste Wort haben: „Es ist dir gesagt ...“
Wir Christen haben Gottes Wort nicht nur in der Bibel, sondern mitten in der Bibel auch durch Jesus Christus. Er ist das Wort.
Wenn wir nach dem Vorbild und Beispiel Jesu fragen, können wir sowieso nicht mehr irgend eine gute Tat abseits von Gott tun. Sondern wie Jesus leben können wir nur, indem wir mit Jesus leben.

Für unsere Gemeindesituation fragen wir nicht nur nach Gerechtigkeit und Gemeinschaftstreue, sondern auch nach den biblischen Verheißungen und Vor-gaben für die Gemeinde Jesu.
Fragen:
Welche Wege für unsere Gemeinde sind uns von der Bibel her vorgebahnt?
Welche Wege müssen von der Bibel her ausscheiden?
Welche Grundsätze legt uns das Beispiel Jesu nahe?
Auf welche Spuren setzt uns das biblische Bild der Gemeinde Jesu?
Welche Rolle spielt die Bibel in unseren Diskussionen über die Gemeindezukunft?
Erkennen wir Spuren Gottes aus unserer Gemeindegeschichte? Welche?