Montag, 6. Juli 2009

"Wie hören wir Gottes Reden" - 3

3 Unser Verstand als „Ohr“ für Gott

In früheren Jahrhunderten hat man der Vernunft sehr viel zugetraut: In Natur, Geschichte und Philosophie sei sie die höchste Stufe. Auch Gott erkenne man letztlich durch den Gebrauch der Vernunft.
Unsere Kultur ist spätestens seit dem ersten Weltkrieg ernüchterter. Die Vernünftigsten unter den Menschen damals waren betrunken vom Kriegstaumel.
Martin Luther meinte: „Die Vernunft ist das größte Hindernis in Bezug auf den Glauben“.
Würde die Bibel das auch so sagen?

3.1 Was der Verstand kann und was nicht (Spr 3,5f.)
5 Vertraue auf den HERRN mit deinem ganzem Herzen,
und verlass dich nicht auf deinen eigenen Verstand.
6 Erkenne ihn auf allen deinen Wegen,
dann wird er deine Pfade gerade machen. Spr 3

Vertrauen auf Gott und Vertrauen auf den Verstand sind zweierlei. Gott und Verstand scheinen hier gegeneinander zu stehen. Wörtlich heißt es: „Stütze dich nicht auf deinen Verstand.“ Der menschliche Verstand ist also überfordert, wenn er die einzige Stütze einer Entscheidung sein soll.
Dennoch enthält dieses Bibelwort einen Ausdruck der Vernunft: „Erkenne ihn“. Dieses Wort ist in der Bibel ein Grund-Wort für das Verstehen. Sachkenntnis, Fertigkeit, Einsicht ist darin enthalten. Der Verstand ist also nicht beiseite gesetzt. Aber er bekommt eine bestimmte Aufgabe: Er soll Gott erkennen. Es geht demnach nicht um bloßen „Sach“-Verstand, sondern einen Personen-Verstand, bezogen auf die Person Gottes. Faktenwissen ist nicht das wichtigste, sondern Kenntnis über das Wesen Gottes.
Deshalb ist im Sprüche-Buch der Verstand eigentlich viel höher bewertet als in 3,5.
1 Mein Sohn, wenn du meine Worte annimmst und meine Gebote bei dir bewahrst, 2 wenn du der Weisheit dein Ohr leihst, dein Herz der Einsicht zuneigst, 3 wenn du nach Verstand rufst, mit erhobener Stimme nach Einsicht, 4 wenn du sie wie Silber suchst und wie nach Schätzen nach ihr forschst, 5 dann wirst du die Furcht des HERRN verstehen, und Gotteserkenntnis wirst du finden. Spr 2

3.2 Unverstand ist unerwünscht! (Ps 32,8f.)
8 Ich will dich lehren und dir den Weg weisen, den du gehen sollst,
ich will dir raten, mein Auge wacht über dir.
9 Seid nicht wie ein Ross, wie ein Maultier, ohne Verstand,
nur mit Zaum und Zügel ist sein Ungestüm zu bändigen,
sonst kommt es nicht zu dir. Ps 32
Am Gegenteil wird klargemacht, was Gott sich nicht wünscht: störrische „Hornochsen.“ Wo Verstand nicht gebraucht wird, kann man jemanden nur mit Gewalt zum Ziel zerren. Das ist nicht die Art Gottes und soll nicht die Art der Menschen sein, die Gott folgen.
Wie aber wird Gottes Weisung erkannt?

a) durch Lernbereitschaft. „Lehren“, „raten“ erfordert: dass Menschen lernen und Rat annehmen. Gott erwartet also nicht, dass wir schon sofort komplett Bescheid wissen. (Dann müsste man nicht mehr lernen.) Er erwartet, dass wir uns bewusst sind, nicht schon gleich alles erfasst zu haben. Wir müssen bereit sein, einen „Weg“ zu gehen.

b) durch Blickkontakt. Gott gibt Rat – und seine Augen sind über uns. Er verfolgt mit seinen Augen unseren Weg, so wie Eltern das mit dem ihrer Kinder machen. Leitet Gott auch mit seinen Augen? So sagt es die Lutherübersetzung. Vielleicht ist das nicht richtig übersetzt. Dennoch ist unsere Aufgabe, den Kontakt mit Gott zu halten. Er lehrt und zeigt und rät ja; also ist entweder Augenkontakt oder zumindest Ohrenkontakt unsere Aufgabe.

Das Gegenteil zum Unverstand ist also: auf Gott hören. Wir benötigen in der Gemeinde Gelegenheiten, um das einzuüben: Gleichzeit zu denken und auf Gott zu hören. Logische Überlegung und Hören auf Gott soll nicht wie „Einerseits – Andererseits“ nebeneinander stehen.
Wenn das Nachdenken in sich logisch und abgeschlossen ist; wenn der verstand eine Lösung ausgearbeitet hat, die in sich steht und Gottes Anrede letztlich nicht mehr braucht, dann ist etwas schief gelaufen.
Wie können wir gemeinsam das Hören und Denken miteinander verknüpfen? Gibt es Veranstaltungsformen dafür?
„Denkendes Gebet“ – wie könnte das aussehen?
Welche Wegweisungen Gottes schienen auf den ersten Blick unvernünftig?
An welcher Stelle hat sich dann Vernunft gezeigt?
Welche Entscheidungen Jesu wirken auf uns vernünftig?
· Z. B. Jünger berufen, die von ihrem Herkommen her nicht in eine kleine gemeinsame Gruppe passen würden: der Zelot und der Zöllner ...
· Jesus verbot den Geheilten zunächst, ihn bekannt zu machen, damit er nicht schon kurz nach Beginn seiner Tätigkeit angeklagt würde.
· Seine Konzentration auf sein Lebensziel
· Seine gewitzten Antworten an die Gegner
Wie könnte Jesus auf diese Entscheidungen gekommen sein?
Angenommen, eine Gemeinde möchte einen Missionar nach Südamerika aussenden. In der Gemeinde gibt es ein Mitglied, das ein erfolgreiches Reisebüro besitzt. Derjenige legt ganz schnell einen Haufen Pläne auf den Tisch, welches Land am besten geeignet sei und wie man Reise und Aufenthalt organisieren kann.
¨ Ist dieser Sachverstand der Gemeinde nützlich?
¨ An welche Stellen kann der Sachverstand im Wege stehen?
¨ Was kann der Reisebüroinhaber tun, damit er inmitten all seiner Erfahrungen und Ideen noch Gottes Stimme hören kann?

3.3 Verstand und prophetische Rede
1 Bleibt auf dem Weg der Liebe! Strebt nach den Geistesgaben, vor allem aber danach, prophetisch zu reden. 2 Wer in Zungen redet, spricht nicht zu Menschen, sondern zu Gott. Denn niemand versteht ihn: Er redet im Geist von Geheimnissen. 3 Wer dagegen prophetisch redet, spricht zu Menschen: Er erbaut, ermutigt, tröstet. [...]
18 Ich danke Gott, dass ich mehr als ihr alle in Zungen rede; 19 aber in der Gemeinde will ich, um auch andere zu unterweisen, lieber fünf Worte mit meinem Verstand sagen als tausend Worte in Zungen. 20 Liebe Brüder und Schwestern, seid nicht Kinder, wo es um Einsicht geht. Seid unbedarft, wo es um Bosheit geht, in der Einsicht aber seid vollkommen! 1Kor 14

Paulus vergleicht zwei Arten, wie der Heilige Geist in Menschen spricht: Das Gebet in geistgewirkter Gebetssprache und die Prophetie. Später stellt er die Prophetie ganz in die Nähe des Verstandes. Das Zungenreden hat dagegen nicht so viel mit dem Verstand zu tun.
Der Gegensatz lautet also nicht: Entweder Verstand oder prophetische Rede. Sondern beides geht Hand in Hand! Paulus sagt auch nicht: Zur Prophetie muss (ergänzend) der Verstand hinzukommen und erst gemeinsam ist es vollständig. Sondern es ist geradezu vernünftig, der Prophetie vorfahrt zu geben. Unvernünftig ist demnach eine Gemeinde, die auf prophetische Rede verzichtet.
Der Verstand ist dann gut eingesetzt, wenn er Signale Gottes richtig deutet. Dasselbe haben wir ja schon beim Propheten Micha kennen gelernt: Gottes Volk soll die Geschichte Gottes richtig „lesen“ und deuten können (siehe Abschn. 1.3). Es soll erkennen, wie Gott sich in der Vergangenheit zu Wort gemeldet hat.

3.4 Das schönste Einsatzgebiet für den Verstand
37 Er [Jesus] sagte zu ihm: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Verstand. Mt 22

9 Und ich bete dafür, dass eure Liebe reicher und reicher werde an Erkenntnis und zu umfassender Einsicht gelangt, 10 und dass ihr so zu prüfen vermögt, worauf es ankommt; dann werdet ihr rein sein und ohne Tadel am Tag Christi, 11 erfüllt von der Frucht der Gerechtigkeit, die Jesus Christus wirkt, zur Ehre und zum Lob Gottes. Phil 1

Die Liebe zu Gott soll den Verstand mitnehmen; der Verstand soll Gott lieben.
Der Verstand reichert die Liebe an. Für die Liebe ist er eine Bereicherung. Ohne die Liebe hängt er vor Gott in der Luft.