Dienstag, 7. Juli 2009

"Wie hören wir Gottes Reden?" - 4

4 Prophetie in der Gemeinde des Neuen Testaments I

Welche der folgenden Sätze würdet ihr für vertrauenswürdige Prophetie halten, wenn jemand sie in der Gemeinde sagen würde?
· „Gott möchte uns sagen, dass wir keinen Grund haben, an seiner Treue zu zweifeln.“
· „Gott hat diese Gemeinde verlassen, weil sie ihm nicht mehr wohlgefällig ist.“
· „Nächste Woche wird ein überregionaler Prediger in unseren Gottesdienst kommen und es ist Gottes Wille, dass wir für ihn eine gewaltige Kollekte zusammenlegen.“
· „Das Ansehen der Christen in unserem Land wird künftig abnehmen. Deshalb müssen wir uns durch Gebet und Bibelstudium auf größeren Druck vorbereiten.“
· „Gott sagt einem bestimmten Menschen unter uns: Du darfst deine Hoffnung nicht aufgeben. Bete weiter und traue dir die Aufgabe zu, für die man dich gefragt hat.“
· „Ihr sollt in 14 Tagen einen Heilungsgottesdienst feiern und alle Kranken aus eurer Gemeinde werden vollständig geheilt werden.“
Warum wirken diese Sätze auf uns jeweils vertrauenswürdig oder auch nicht?

4.1 Prophetie ist in der Gemeinde Jesu etwas völlig Normales
Wie viele Propheten im Neuen Testament gibt es wohl – welche könnten wir benennen?
Abgesehen von Gemeindepropheten muss zuerst Jesus selbst genannt werden. Er wurde nicht nur von seinen Zeitgenossen für einen Propheten gehalten, sondern sagte selbst bewusst prophetische Worte und tat bewusst prophetische Taten. Vor Jesus werden im NT andere prophetische Menschen erwähnt: Johannes der Täufer, Zacharias (Lk 1,67), Hanna (Lk 2,36). Möglicherweise könnte man noch Maria, die Mutter Jesu, hinzunehmen.
Wenn wir speziell nach Gemeindepropheten suchen, so kommen wir auf folgende Zusammenstellung:
1. Agabus: Apg 11,28; 21,11
2. Barnabas: Apg 13,1
3. Simeon Niger: Apg 13,1
4. Lucius von Zyrene: Apg 13,1
5. Manaën: Apg 13,1
6. Saulus: Apg 13,1
7. Judas: Apg 15,32
8. Silas: Apg 15,32
9. Johannes (der Empfänger der Offenbarung, des letzten Buches der Bibel)
10. Vier Töchter des Evangelisten Philippus: Apg 21,9
11. Andere Propheten um Agabus: Apg 11,27
12. Von Jesus ausgesandte Propheten: Mt 10,41; 23,34
13. Frauen und Männer in Korinth: 1Kor 11,4f.
14. Leute in Thessaloniki: 1Thess 5,20
Hinzu kommen etwa zwölf ehemalige Jünger von Johannes dem Täufer, die zumindest einmal prophetisch geredet haben, aber nicht als Propheten bezeichnet werden.
Hinter den Ziffern 10 bis 14 verbergen sich etliche Personen, so dass man vermutlich von deutlich mehr als 20 Gemeindepropheten ausgehen muss, die irgendwie im NT erwähnt werden.
Auch wenn wir die Landkarte aufrollen und nach Orten suchen, wo urchristliche Gemeinde waren, kommen wir darauf: Es gab in jeder Gemeinde – soweit wir das erkennen können – unterschiedliche Gaben, aber die Gabe der Prophetie gab es so gut wie überall! Gehen wir von Osten nach Westen:
· Jerusalem: Apg 11,27; 15,22.32.
· Judäa: Apg 21,10
· Cäsarea: Apg 21,9
· Antiochien: Apg 11,27; 13,1-3´; 15,22.32
· Syrien überhaupt: In den syrischen Gemeinden ist das Matthäusevangelium entstanden, und man darf annehmen, dass hier diejenigen Worte Jesu mit besonderer Aufmerksamkeit überliefert wurden, in denen man die örtlichen Gemeindeleitungsstrukturen wiedererkannte. Also können wir – vorsichtig – Leitungsaufgaben aus dem Matthäusevangelium herauslesen. Wir stoßen so auf Propheten, Schriftlehrer, Weise und Gerechte.
· Ephesus: 1Tim 1,18; 4,14 – sofern Timotheus dort wirkte und die Prophetien dort über ihm ausgesprochen worden waren.
· Philippi: dort wirkt auch der „Charismatiker“ Timotheus – er war nicht nachweisbar selbst Prophet, aber hatte Erfahrungen mit dieser Gaben gemacht.
· Thessaloniki: 1Thess 5
· Korinth: siehe 1Kor 12,14
· Rom: Röm 12,7
· Nur für Kleinasien, z. B. Kolossä, ist die Prophetie in den Gemeinde nicht an Texten nachweisbar – allerdings auch nicht auszuschließen.

4.2 Grundsätze zum Umgang mit Prophetie: 1Kor 14
1Kor 14,1-5. 20-33. 37-40

Wie stark soll die Gabe der Paulus nach Paulus praktiziert werden?
Wie viele Gemeindemitglieder sollen sie ausüben?
1Kor 14,1.5.39: Alle sollen sich darum bemühen /danach streben! In dieser Hinsicht hat die Prophetie eine Vorzugsstellung inmitten aller anderen Gaben. Nur die Liebe steht noch höher.

Welche Wirkung hat die Gabe der Prophetie?
· V. 5: die Gemeinde wird dadurch aufgebaut. – „Aufbau“ ist durchgängig der Maßstab, den Paulus für die Gestaltung des Gottesdienstes angibt: 1Kor 10,23; 14,3.4.5.12.17.26! 6mal genannt! – Aufbau heißt nicht: erbaulich für’s Gemüt, sondern: konstruktiv.
· V. 24f: Nichtchristen werden von Gott erreicht, ihr Inneres wird ihnen aufgedeckt, sie beten Gott an. --> eine evangelistische Wirkung dieser Gabe!
· V. 3.31: Ermahnung / Ermutigung
· V. 31: Man kann etwas „lernen“ – die Prophetie muss also einen gewissen Informationswert haben.

Wie ist die Gabe der Prophetie in den Gottesdienst eingeordnet?
Für das Sprachengebet gibt Paulus eine Höchstgrenze an: höchstens 3 (V. 27). Auch bei den Propheten gibst Paulus zunächst die Zahl „2 oder 3“ an. Vermutlich meint er hier aber keine Höchstgrenze. Sondern er sagt gleich danach, dass der nächste Prophet drankommen soll, wenn er eine Weisung empfängt. Der erste soll also nicht so lange reden, dass der nächste keinen Raum mehr hat. Sondern Paulus will Raum ermöglichen für mehr als eine Prophetie. Darum sagt er dann: „Ihr könnt doch alle, einer nach dem andern, prophetisch reden.“ Vermutlich meint er: Jeder, der etwas von Gott empfängt, soll auch drankommen. Keiner soll weggelassen werden, etwa weil die ersteren zu lange geredet hätten. Diese Richtung – „nicht zu wenige Prophetien“ – würde jedenfalls gut zu V. 1.5 passen.

Wer kontrolliert, welcher Prophet wann redet?
Das tun die Propheten selbst: V. 32. Demnach hat Prophetie nichts mit Ekstase zu tun!

Wer prüft das, was prophetisch gesagt wurde?
Nach V. 29 die anderen aus der Gemeinde – die keine Propheten sind oder die gerade nicht prophetisch geredet haben. So klingt es auch in 1Thess 5,19-22, eine Mahnung an alle aus der Gemeinde.

19 Den Geist bringt nicht zum Erlöschen! 20 Prophetische Rede verachtet nicht! 21 Prüft aber alles, das Gute behaltet! 22 Meidet das Böse in jeder Gestalt! 1Thess 5

Wie soll geprüft werden? Nach welchen Maßstäben?

Maßstäbe aus dem 1. Korintherbrief:
· Ist es eine Ermahnung oder Ermutigung?
· Ist es konstruktiv oder destruktiv?
· Entspricht es dem Heiligen Geist, der den Namen Jesu ehrt (1Kor 12,3)?
· Entspricht es der Liebe? (1Kor 13; 14,1)
· Bleibt es im Rahmen der Heiligen Schrift? (1Kor 4,6)
· Verstand (14,20) – der ist nicht letzter Maßstab für den Inhalt der Prophetie, aber es entspricht dem Verstand, dass Prophetie zugelassen und erstrebt wird.

Maßstäbe aus anderen Teilen des NT
· Welche Früchte bringt der Prophet? (Mt 7,15-20)
· Zeigt der Prophet auf irgendeine Person, die allen unbekannt ist, und behauptet, das wäre (der wiedergekommene) Christus? Dann ist es falsch – Wenn Christus wiederkommt, wird es von allen gleichzeitig erkannt werden. (Mt 24,24-27)

24 Denn es wird mancher falsche Messias und mancher falsche Prophet aufstehen, und sie werden große Zeichen und Wunder tun, um wenn möglich sogar die Erwählten in die Irre zu führen. 25 Seht, ich habe es euch vorhergesagt. 26 Wenn sie also zu euch sagen: Da, in der Wüste ist er, so geht nicht hin! Da, in den Gemächern ist er, so glaubt es nicht! 27 Denn wie der Blitz im Osten zuckt und bis in den Westen leuchtet, so wird das Kommen des Menschensohnes sein. Mt 24

· Wird eine falsche Lehre über Christus verkündigt (z. B. er sei nur ein Geistwesen und nicht als Mensch auf die Erde gekommen)? (1Joh 4,1-3)

1 Ihr Lieben, schenkt nicht jedem Geist Glauben, sondern prüft die Geister, ob sie aus Gott sind. Denn viele falsche Propheten sind hinausgegangen in die Welt. 2 Daran erkennt ihr den Geist Gottes: Jeder Geist, der sich zu Jesus Christus bekennt, der im Fleisch gekommen ist, ist aus Gott; 3 und jeder Geist, der sich nicht zu Jesus bekennt, ist nicht aus Gott. Und das ist der Geist des Antichrists, von dem ihr gehört habt, dass er kommt. Der ist jetzt schon in der Welt. 1Joh 4

· Ist der Prophet bereit, auf die Gemeinde zu hören?

5 Sie gehören zur Welt; deshalb reden sie, wie die Welt redet, und die Welt hört auf sie. 6 Wir sind aus Gott. Wer Gott erkennt, hört auf uns; wer nicht aus Gott ist, hört nicht auf uns. Daran erkennen wir den Geist der Wahrheit und den Geist des Irrtums. 1Joh 4

Maßstäbe aus späterer Zeit der alten Kirche:
· Wenn der reisende Prophet länger als zwei Tage Gastfreundschaft beansprucht oder wenn er nicht nur Brot erbittet, sondern auch Geld, dann ist er ein falscher Prophet. Wenn er aber Unterstützung für andere Bedürftige fordert, soll man ihn nicht richten. (Didache 11,4-12)

Zusammenfassende Fragen
Müssen wir Angst vor der Gabe der Prophetie haben? Wenn ja, welche?
Können wir in der Gemeinde ohne diese Gabe auskommen?